Jose Saramago

Kain

Roman
Cover: Kain
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2011
ISBN 9783455402957
Gebunden, 175 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Kathrin von Schweder-Schreiner. "Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte ihrer Uneinigkeiten mit Gott, weder versteht er uns, noch verstehen wir ihn", heißt es in Saramagos "Kain", und es könnte das Motto des Buches sein. Saramago schickt seinen Helden nach dem von ihm begangenen Brudermord an die unterschiedlichsten Schauplätze des Alten Testaments und lässt ihn aktiv an den biblischen Geschichten teilhaben. So trifft Kain, der in der Zeit vor und zurück katapultiert wird, auf die verführerische Lilith, die ihn sofort als Liebhaber vereinnahmt, er ist als Retter zur Stelle, als Abraham sich in Gottes Auftrag anschickt, seinen Sohn Isaak zu opfern, er verfolgt fassungslos die Zerstörung von Sodom und Gomorrha. Stets stellt der staunende, vermeintlich naive Kain die göttliche Vernunft in Frage - ob es sich um Gottes "unrühmliche" Rolle in dem ureigenen Bruderzwist handelt, ob um die Babel'sche Sprachverwirrung oder den Tanz ums Goldene Kalb.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.10.2011

Ein wenig pflichtschuldig hat Rezensentin Katharina Döblin Jose Saramagos letzten Roman zur Hand genommen, großes Lesevergnügen hat er ihr nicht bereitet. Saramago tritt ihr hier noch mal als kämpferischer Atheist und Sozialist entgegen, der Kain zum selbstbewussten Gegenspieler Gottes stilisiert, dessen Werk sich bei Saramago als eine Aneinanderreihung antihumanistischer Gemeinheiten erweist. Gott selbst muss man sich laut Döbler als eine Art "iberischen Großgrundbesitzer" vorstellen. Allein den letzten 25 Seiten des Romans konnte die Rezensentin erzählerischen Schwung abgewinnen, da schwingt sich dieser Gesinnungsroman noch einmal zu einem echten Stück fantastischer Literatur auf.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.08.2011

Als "Vermächtnis eines Unversöhnten" würdigt Tobias Heyl den letzten Roman von Jose Saramago, der jetzt posthum auf Deutsch erschienen ist. Der Stoff, den der Literatur-Nobelpreisträger dafür gewählt hat, scheint ihm düster und schwer: die alttestamentliche Geschichte um den Kains Mord an seinem Bruder Abel. Freilich unterscheidet sich die Fassung des Atheisten Saramago, der Kain kreuz und quer durch die Bücher Moses und der Propheten schickt, nach Ansicht Heyls ganz erheblich von der Fassung des Alten Testaments. Auch wenn die Theodizee-Frage eine Rolle spielt, liest er das Buch nicht als atheistisches Manifest, sondern als Roman, der dem archaischen Stoff "viel Leben" einhaucht und packend umsetzt. Überhaupt lobt Heyl die Umsetzung des Stoffs als unangestrengt, ja virtuos. Für ihn ist der Roman fraglos ein würdiger Abschluss von Saramagos Lebenswerk.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.08.2011

Mit "Kain" vermeint Florian Borchmeyer gleichsam das Vermächtnis des im letzten Jahr verstorbenen und 1998 mit dem Nobelpreis für Literatur geehrten Jose Saramago in Händen zu halten. Es ist die Abrechnung des Brudermörders Kain mit dem von ihm für völlig verrückt erklärten Gott und als biblischen Zeitreisenden lässt Saramago ihn von der Schöpfung bis zur Sintflut seinen blasphemischen Senf zur Lage abgeben. Zugegeben, was den ketzerischen Humor angeht gibt es Besseres, meint der Rezensent und verweist auf Monty Pythons "Das Leben des Brian" und Ahnes "Zwiegespräche mit Gott". Was den Roman in seinen Augen aber auszeichnet sind die "lakonische Eleganz" und die "fragile Heiterkeit", die der sich zu Skepsis und Pessimismus bekennende Autor beweist, wenn er sich mit Theodizee-Fragen auseinandersetzt. Und irgendwie ringt es Borchmeyer auch ziemliche Bewunderung ab, wie der zum Zeitpunkt der Niederschrift fast 90 Jahre alte Autor gänzlich unerschrocken und mit einer nuancenreichen Unverschämtheit Gott und seinen "Heilsversprechen" eine Absage erteilt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.08.2011

Krasse Bibeldeutung, die der Autor da als Vermächtnis hinterlässt. An Gott lässt Jose Saramago kein gutes Haar (wenn er denn überhaupt welche hat). Die poetische Wucht, die Mathias Schnitzler aus früheren Romanen des Nobelpreisträgers kennt und schätzt, sucht er in diesem Alterswerk allerdings vergeblich. Stattdessen Vatermordfantasien, Kain in den Mund gelegt. Originell kann Schnitzler das nicht finden, zu eindimensional die Figur des Brudermörders, zu sehr Sprachrohr des bibelkritischen Autors. Und Humor, muss Schnitzler feststellen, hat der alte Herr, Saramago, nicht Gott, auch nicht mehr wie früher.