Jose Saramago

Claraboia oder Wo das Licht einfällt

Roman
Cover: Claraboia oder Wo das Licht einfällt
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013
ISBN 9783455404395
Gebunden, 336 Seiten, 22,99 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner. Eine Sensation aus dem Nachlass des Nobelpreisträgers: Jahrzehntelang galt Saramagos 1953 vollendeter Roman "Claraboia" als verschollen. Nun wurde er erstmals veröffentlicht. Ein früher Morgen im Lissabon der 1950er Jahre. In einem Mietshaus nahe am Fluss erwacht das Leben. Der Schuster Silvestre öffnet seine Werkstatt, Isaura, die die Wohnung mit drei anderen Frauen teilt, setzt sich an die Nähmaschine. Justina plagt sich mit ihrem ständig nörgelnden Mann herum. Dona Lídia, die als Geliebte eines reichen Fabrikanten als Einzige keine finanziellen Sorgen hat, raucht ihre erste Zigarette... Die Atmosphäre ist geprägt von Armut, Melancholie und Argwohn. Der Alltagstrott verändert sich erst, als Silvestre einen Untermieter aufnimmt, der frischen Wind in die Hausgemeinschaft bringt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.10.2013

Wie im verschütteten Pompeji fühlt sich Florian Borchmeyer, die Füße auf jungfräulichem Terrain. Denn dieser frühe, ohne jegliche Patina übersetzte Roman von Jose Saramago sieht zum ersten Mal das Licht der Öffentlichkeit. Zu seiner Entstehungszeit vorauseilend zensiert, bietet er dem überraschten Rezensenten nicht nur einen Blick auf den Mikrokosmos eines portugiesischen Mietshauses und seiner Bewohner zu Zeiten Salazars, voller kleinbürgerlicher Ärgernisse, verdrängter Sexualität und Bigotterie. Die dem Rezensenten sonst an diesem Autor missfallende selbstgefällige Breite und Redundanz lässt das Buch darüber hinaus vermissen. Florian Borchmeyer ist sogar der Meinung, die realistische Erzählung mit ihrer schonungslosen Charakterdarstellung sei vielen der berühmteren Romane des Autors überlegen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.04.2013

Dieses Frühwerk des Literaturnobelpreisträgers José Saramago lag jahrelang unbeachtet in der Schublade des Verlages, bei dem der Autor den Text 1953 eingereicht hatte, berichtet Judith von Sternburg. Nicht einmal eine Absage war er ihnen damals wert gewesen. Für die Rezensentin stellt sich die Frage: liest man das Buch anders, weil man Saramago inzwischen kennt? "Claraboia" scheint ihr jedenfalls äußerst gelungen zu sein, und sie erkennt bereits viele Vorzüge des 'Spätwerks' darin, besonders die liebevolle Boshaftigkeit des Autors. Er verhandelt darin das "Unglücklichsein als Lebensform" und verortet dessen Keimzelle in der Familie, fasst die Rezensentin zusammen. Als Versuchsobjekte dienen ihm die Bewohner eines Mietshauses, die in unterschiedlichen Verhältnissen zueinander stehen, Affären haben, spionieren und sich hassen - "hier wird wirklich enorm gehasst", staunt von Sternburg. Ein weiteres Thema sind die "wirtschaftliche Dauerarmseligkeit" und die Kümmerlichkeit des Lebens unter solchen Bedingungen. Die Rezensentin vermutet, dass "Claraboia" wahrscheinlich eher wegen des politischen Klimas unter der Salazar-Diktatur keine Anerkennung fand als aufgrund mangelnden schriftstellerischen Geschicks.