Johannes Paul II.

Erinnerung und Identität

Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden
Cover: Erinnerung und Identität
Weltbild Verlag, Augsburg 2004
ISBN 9783898971706
Gebunden, 224 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Auf über 200 Seiten beleuchtet der Heilige Vater Phänomene der Gegenwart im Licht der Geschichte. Das Buch ist das politisch-philosophische Vermächtnis des 84jährigen Pontifex. Er spricht darin alle wichtigen Menschheitsfragen aus christlicher Sicht an - Demokratie, Freiheit und Frieden, das Thema Menschenrechte sowie das Verhältnis von Kirche und Staat.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.03.2005

Auch als bekennender Nichtkatholik hat der R. St. zeichnende Rezensent diesem Band einige bemerkenswerte Erörterungen entnommen. Enthalten sind darin Gespräche von Papst Johannes Paul II., die er mit zwei polnischen Vertrauten, Jozef Tischner und Krzysztof Michalski, 1993 in der Sommerresidenz Castelgandolfo führte. In ihren Diskussionen konzentrieren sich die drei auf die philosophische Bewertung des vergangenen Jahrhunderts, informiert der Rezensent, alles Persönliche, Anekdotische, sei auf ein Minimum beschränkt. Das findet R. ST. fast schon ein wenig bedauerlich, gern hätte er zum Beispiel mehr über den Papst-Besuch in Polen 1983 erfahren. Ob ihn die theologisch-philosophischen Erörterung des Papstes letztendlich überzeugt haben - darüber schweigt er sich aus. Hier erfahren wir von ihm nur, dass er dem Buch als Quintessenz entnommen hat, dass allem menschlichen Leiden die Aussicht auf Heil innewohnt, dass das Übel auch das Gute im Menschen weckt und dass die göttliche Vorsehung hilft, am Ende das Böse zu überwinden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.03.2005

Die Frage nach dem Bösen sieht Alexander Kissler im Zentrum dieser "Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden" von Papst Johannes Pauls II. Der Papst verstehe die Geschichte der Menschheit als ein "Schauspiel der Koexistenz von Gut und Böse". Das Böse könne vor dem Ende der Zeit nicht besiegt werde, es werde immer Teil der Welt bleiben. Dennoch mache der Papst einen historischen Augenblick ausfindig, in dem eine neue Qualität des Bösen in die Welt gekommen sei: Descartes' "Cogito, ergo sum", die Geburt der europäischen Aufklärung. Seither habe das Bewusstsein den Vorrang vor dem Sein, das Ich gelte mehr als jedes Nicht-Ich, mehr als der Nächste, mehr als ein ins Menscheninnere verlagerter Gott. Kissler zeigt sich ob dieser Ansichten wenig überrascht. Der Begriff des Bösen allerdings, das als "Fehlen von etwas Gutem, das in einem bestimmten Wesen eigentlich vorhanden sein müsste" definiert wird, erscheint ihm "seltsam schwach konturiert". Die auf Thomas von Aquin zurückgehende Definition müsste man nach Ansicht Kisslers um den Kern der thomasischen Philosophie, das Naturrecht, erweitern, um sie mit Inhalt zu füllen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.03.2005

Mit diesem Buch hat Papst Johannes Paul II. der katholischen Kirche "keinen guten Dienst erwiesen", meint Christian Schlüter. Vorab wurden bereits Passagen zitiert, in denen der Papst angeblich den Holocaust in Abtreibungen "fortdauern" sieht, was beireits zu hefitger kritik geführt hatte. Nach Ansicht des Rezensenten aber setzt der Papst in seinem Buch keineswegs Holocaust und Abtreibung gleich, sondern zeigt eine viel "beunruhigende" Haltung, die auch die Position der katholischen Kirche widerspiegelt. Tatsächlich betreibe er nämlich eine "Enthistorisierung", die auf einer "Totalitarismustheorie" beruhe, die in totalitären Systemen nur "graduelle" aber keine "prinzipiellen" Unterschiede sehe, so Schlüter weiter. Hier erkennt er das "eigentliche Skandalon" des Buches, das, wie er meint, die "historischen Besonderheiten" des letzten Jahrhunderts "zum Verschwinden" bringt und sich als "Denknotwendigkeit" einer "Rechtfertigung Gottes" erweist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.03.2005

Die Bücher des Papstes sind alles andere als Kompilationen verschiedener Artikel, betont Lorenz Jäger, für den die Texte Johannes Paul II. "von hoher innerer Konzision" sind. Und in einem weiteren Punkt meint Jäger den Papst verteidigen zu müssen: im Vorfeld der Veröffentlichung des Buches hatte eine Bemerkung des Papstes über die "legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen" für Aufregung gesorgt. Jäger kann im Kontext des Buches nichts Skandalisierendes an dieser Stelle finden. Der Papst habe ja schließlich das Recht, die Dinge von der kirchlichen Lehre her zu betrachten, schreibt er. Das aktuelle Buch geht im übrigen auf Gespräche des Papstes mit den polnischen Philosophen Jozef Tischner und Krzysztof Michalski aus dem Jahr 1993 zurück. Die drei Männer haben sich über die Ideologien des Bösen im 20. Jahrhundert unterhalten: Nationalsozialismus und Kommunismus. Aufklärung und Französische Revolution lasse der Papst teilweise gelten, so Jäger, sehe aber die Ursachen für die Greuel des 20. Jahrhunderts in einer "Entchristlichung" der Welt. Immer wieder aber käme der Papst, so der Rezensent, auf seine Heimat Polen zu sprechen, und es sei so gesehen ein Glücksfall, dass der Papst vieles selbst erlebt habe. Der polnische Patriotismus stehe der kirchlichen Lehre nicht entgegen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.03.2005

Freundlich spöttelnd nimmt Rezensent Jan-Heiner Tück zur Kenntnis, dass Papst Johannes Paul II. nach Gedichtbänden und autobiografischen Aufzeichnungen mit diesem Gesprächsband noch einmal das literarische Genre päpstlicher Äußerungen erweitert hat. Der Band geht auf Gespräche zurück, die Johannes Paul II. 1993 mit den beiden polnischen, liberalkatholischen Philosophen Krzysztof Michalski und Jozef Tischer geführt hat, berichtet Tück, der von der Lektüre sichtlich beeindruckt ist. Die Gedanken des Papstes kreisen um die Geschichte und Philosophie, Manifestationen des Bösen und die Fehlbarkeit der menschlichen Freiheit. Besonderes Gewicht legt der Papst dabei nach Tücks Darstellung darauf, dass allein Gott und nicht dem Menschen die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod zustehe. Denn in dieser menschlichen Anmaßung sieht Johannes Paul II. eine der Hauptquellen allen Übels. Hier bei legt Tück Wert auf die Klarstellung, dass der Papst in diesem Zusammenhang zwar Holocaust und Abtreibung als Manifestationen des Bösen nenne, aber mitnichten auf eine Stufe stelle.