Jeffrey Eugenides

Das große Experiment

Erzählungen
Cover: Das große Experiment
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
ISBN 9783498016753
Gebunden, 336 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Gregor Hens. "Das große Experiment " handelt von Menschen, die in Schwierigkeiten stecken - meist sind es Ehepaare, Paare. Da ist ein Familienvater, der im Garten an der Feuerstelle sitzt und auf sein Haus schaut, das er nach einem Seitensprung nicht mehr betreten darf. Da ist ein junges Mädchen, das von den indischen Eltern an einen Unbekannten verheiratet werden soll; um dem zu entgehen, verführt sie einen Mann, der nicht weiß, dass sie noch minderjährig ist, und wirft ihn dadurch aus der Bahn. Da ist ein Lektor, der viel arbeitet und trotzdem so wenig verdient, dass seine beiden Kinder oft woanders übernachten müssen, weil zu Hause das Geld fürs Heizen fehlt; also beschließt er, sich das dringend Benötigte selbst zu beschaffen, und veruntreut das Vermögen seines Chefs. Da ist die 88-jährige Della, die mit einer Demenz-Diagnose in ein Pflegeheim kommt; ihre langjährige Freundin entführt sie trotz Schneesturm-Warnung aus der Stadt. Und schließlich ist da noch die junge Frau, die sich per Bratenspritze ihren Kinderwunsch erfüllen will. Verkappte Romane oder doch eher nicht?

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 30.03.2019

Rezensent Florian Felix Weyh scheint selbst nicht recht zu wissen, inwieweit er Jeffrey Eugenides den "unbeirrten Anwalt" einer abhanden gekommenen Virilität abnimmt, als der sich der Autor in den hier versammelten Kurzgeschichten immer wieder präsentiere. Auf jeden Fall findet Weyh Eugenides' Schilderungen von Mann-Frau-Beziehungen sehr unterhaltsam und attestiert dem Autor viel Witz und eine untrügliche Beobachtungsgabe für die Dominanzverhandlungen, die sich hier abspielen. Mit wie viel Selbstironie der Autor dabei für die Männlichkeit ins Gefecht zieht, lässt der Kritiker vielleicht fein lächelnd unbeantwortet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.02.2019

Weit mehr als nur ein Nebenprodukt seiner Bestsellerromane sind die in dem Band "Das große Experiment" gesammelten Erzählungen von Jeffrey Eugenides, versichert Martina Kigle, auch wenn einem einige der auftretenden Figuren bereits aus den Romanen bekannt sind, der Religionswissenschaftsstudenten Mitchell aus "Die Liebeshandlung" etwa oder der Sexualwissenschaftler Dr. Peter Luce aus "Middlesex". Auch seinen Themen - die Conditio Humana, erodierende Gesellschaftsstrukturen, kriselnde Männlichkeit - bleibt er treu, doch zugleich beweist der als "Meister des Ausführlichen" geltende Eugenides, dass er auch die Gestaltungsregeln der kürzeren Erzählform beherrscht, meint die Rezensentin, über Prototypen, Gegensätze und "bitterböse Pointen" nämlich. Bei der Lektüre der Titelerzählung kann Kigle allerdings nicht verhehlen, dass sie sich bereits auf den nächsten Roman des Autors freut.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.12.2018

Rezensent Tilman Spreckelsen glaubt, dass Jeffrey Eugenides diesen Erzählband dem Staunen gewidmet hat, so greifbar erscheint es ihm in den einzelnen Geschichten. Laut Kritiker werden hier dringliche Fragen über die Ungerechtigkeit im heutigen Amerika gestellt, etwa wenn die Erzählungen einen Lektor zeigen, der klüger und dennoch ärmer als sein Chef ist, einen Musiker, der die Raten für ein vor Jahren auf Kredit gekauftes Cembalo nicht mehr zahlen kann, oder einen jungen Mann, dessen Vater sich mit unsinnigen Geschäftsideen in den Ruin treibt. Dass Eugenides dabei viel Wert auf die Schilderung der Interieurs gelegt hat, in denen seine Helden leben, liegt nach Meinung des beeindruckten Rezensenten daran, dass die Tapeten, Möbel und Küchen Ausdruck jener Zustände sind, die die Figuren hinterfragen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.11.2018

Jeffrey Eugenides ist ein langsamer Schreiber, weiß Rezensentin Jeannette Villachica, deswegen versammelt dieser Erzählungsband auch Texte aus dreißig Jahren. Trotz der langen Zeitspanne erkennt Villachica den Autor immer gleich wieder: Eugenides schreibe vielleicht ein wenig konventionell und nicht immer mit der gleichen atmosphärischen Dichte, doch moduliere er die Stimmen seiner Figuren so genau und so abwechslungsreich, dass sie hundertprozentig passen. Eugenides Helden träumen alle recht vergeblich vom großen Ausbruch, manchmal gerinnt der große Traum zu einem Fieberwahn, manchmal zu reiner Melancholie. Doch nie, versichert Villachica, verfallen die Menschen bei Eugenides ins Weinerliche, stets bleiben sie "von heiterer Gelassenheit" getragen.