Jan Assmann

Religio duplex

Ägyptische Mysterien und europäische Aufklärung
Cover: Religio duplex
Verlag der Weltreligionen, Berlin 2010
ISBN 9783458710325
Gebunden, 507 Seiten, 32,90 EUR

Klappentext

Im 17. Jahrhundert schlägt die Geburtsstunde der Religionswissenschaft. Sie entsteht aus der Frage nach der Herkunft der Götter, des Polytheismus, der "Idolatrie". Der Monotheismus, darin war man sich einig, bildete die Urreligion: Das war nicht die Religion der Offenbarung, sondern die Religion der Natur und der Vernunft, die allen Menschen gemeinsam und auch in allen heidnischen Religionen aufspürbar ist. Die Vielgötterei entstand erst mit den Staaten; denn Herrschaft braucht die Götter, um dem Volk politische und moralische Orientierung zu geben. Unter diesen Bedingungen zog sich die Urreligion in den Untergrund zurück: So entstanden die Mysterien.
Grundmodell dieser Entwicklung ist das Alte Ägypten, der erste Staat der Geschichte, in dem sich diese religiöse Doppelstruktur besonders klar ausprägte. Die Ägypter hatten zwei Schriften, so las man es bei den Griechen: eine fürs Volk, eine für die Mysterien, und sie bauten über der Erde für die offizielle und unter der Erde für die geheime Religion, nämlich den Kult der verschleierten Isis, in der man Spinozas Deus sive Natura erkannte: oben also die vielen Götter, unten der Gott der Philosophen. In dieses Bild blickten die Geheimgesellschaften wie in einen Spiegel.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.05.2011

Steffen Martus begrüßt Jan Assmanns Studie über die Gedankenfigur der Religio duplex im alten Ägypten und deren Rezeption in der europäischen Aufklärung. Detail- und materialreich führt der Ägyptologe für ihn die Geschichte dieser Rezeption vor Augen. Er hebt besonders die Ausführungen über den Mysterienkult der Freimaurer sowie über Aufklärer wie Moses Mendelssohn hervor. Assmanns Darstellung scheint ihm ebenso "gelehrt wie engagiert". Allerdings springt der Autor in seinen Augen bisweilen zu sehr von Aspekt zu Aspekt. Und ob die Antworten der Spätaufklärung wirklich auch im Blick auf die globalen Kulturkonflikte der Gegenwart weiterhelfen, wie Assmann nahelegt, scheint dem Rezensenten eher fraglich.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.01.2011

Der rezensierende Theologe Friedrich Wilhelm Graf zeigt sich fasziniert von Jan Assmanns ideengeschichtlicher Studie "Religio duplex". Der Heidelberger Ägyptologe zeigt für ihn, dass sich die Idee einer "doppelten Religion", die Idee einer universalen vernünftigen Menschheitsreligion einerseits und den vielen partikularen tatsächlichen Religionen andererseits schon in Ägypten sowie im Alten Testament finden lässt. Erhellend findet er Assmanns Darstellung der Bedeutung dieser Idee in den Religionsdebatten der Frühaufklärung sowie in ihrer politischen Umdeutung im 18. Jahrhundert. Zudem hebt er die Untersuchung von kaum bekanntem Material zur Mysterien-Forschung der Freimaurer hervor. Allerdings bleibt das Universale, das Assmann beschwört, in den Augen Grafs "irritierend abstrakt". Zudem scheint ihm dessen religionspolitisches Programm eines globalen Religionsfriedens "naiv", wächst doch die Zahl der besonders Frommen, "die ihre je eigene religio simplex als die einzig gültige Glaubenshaltung leben".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.12.2010

Arno Widmann schätzt den mittlerweile emeritierten Heidelberger Ägyptologen Jan Assmann als großen Gelehrten, der ihm das Alte Ägypten nahegebracht hat, ohne das für uns heute sehr Fremde zu verleugnen. Assmanns jüngstes Buch nun will die Spaltung der altägyptischen Religion in eine öffentliche für das Volk und eine geheime für die Priesterschaft - der Religio duplex - in den Blick nehmen, wobei er sich vor allem auf deren Rezeption durch die Aufklärung konzentriert, erfahren wir. Hinter der Religio duplex steht nach Assmann das "Geheimnis", dass die verschiedenen Religionen im Grunde die eine zentrale Botschaft der Nächstenliebe eint und gar nicht so unterschiedlich sind, erklärt uns Widmann. Dass allerdings bei den europäischen Aufklärern auch der Konfuzianismus hinzugezogen wurde, der gerade keinen Gott zugrunde legt, sieht der Rezensent zu seinem Bedauern nicht erörtert. Sehr deutlich aber sticht für ihn hervor, das der Autor hier nicht nur von akademischem Interesse angetrieben wird, sondern einen Beitrag für die Verständigung unter den Religionen leisten will. Irgendwie drängt sich Widmann hier aber eine Stelle aus George Orwells "1984" auf, in der der Protagonist mit seiner Akzeptanz des "Doppeldenkens"nur seine "Unterwerfung unter die totalitäre Macht" demonstriert.