Hisham Matar

Im Land der Männer

Roman
Cover: Im Land der Männer
Luchterhand Literaturverlag, München 2007
ISBN 9783630872445
Gebunden, 255 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence. An einem Sommertag im Jahre 1979 geht der neunjährige Suleiman mit seiner Mutter auf dem Markt in Tripolis, der Hauptstadt Libyens, einkaufen. Das machen die beiden oft, wenn der Vater auf Geschäftsreise ist. In den Nächten trinkt sie dann viel von ihrer "Medizin", die sie beim Bäcker unterm Ladentisch kauft und raucht Kette. Sie erzählt Suleiman dann Dinge, von denen der Junge gar nichts wissen sollte, zum Beispiel, wie sie als 14-jähriges Mädchen auf Beschluss ihrer männlichen Verwandten an seinen wesentlich älteren Vater verheiratet worden ist, um die Ehre der Familie zu retten. Man hatte sie allein mit einem Jungen im Kaffeehaus gesehen. Diese Schande musste abgewendet werden, und so wurde das Mädchen Najwa, das ganz andere Pläne für die Zukunft hatte, von einem Tag auf den anderen Ehefrau und bald auch Mutter. Der schwärzeste Tag ihres Lebens sei das gewesen, flüstert sie ihrem Sohn in diesen Nächten zu, sagt aber auch: "Wir sind zwei Hälften derselben Seele, zwei offene Seiten desselben Buchs."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.07.2007

Für ein leises aber dafür umso stärkeres Buch wirbt Ralf Hertel in seiner Rezension. Er würde Hisham Matar eher mit dem stillen J.M. Coetzee vergleichen als mit dem irisierenden Salman Rushdie. Matar verweigere seinem neunjährigen Protagonisten jedwede Symbolik, wie sie Rushdie seinem Helden Saleem in "Mitternachtskinder" spendiert, es bleibe bei der individuellen, "unschuldigen" Perspektive. Diese zeigt ein von Gaddafi unbarmherzig unterdrücktes Libyen in den Siebzigern, wo Hinrichtungen und Deportationen an der Tagesordnung sind und der Diktator mit einem Hebel das landesweite Fernsehprogramm bestimmt. Matar zeige überzeugend, dass die Folterungen des Regimes und die alltägliche Grausamkeit des Einzelnen nur Schattierungen derselben Regung sind.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.05.2007

Rezensentin Angela Schader zeigt sich fasziniert von Hisham Matars Debütroman über Libyens Regime des Muammar Gaddafi. Ungewöhnlich scheint ihr die Perspektive des Romans, in dem ein neunjähriger Junge im Mittelpunkt steht, der die Ereignisse des Jahres 1979 in Tripolis verfolgt. Problematisch wird das Ganze für Suleimann, als er entdeckt, dass sein Vater, offiziell auf Geschäftsreise, etwas mit der Verhaftung seines Nachbarn zu tun hat, während ihm seine Mutter, eine Alkoholikerin, im Suff immer wieder die Verantwortung aufbürdet, sie zu retten. Die Beschreibungen der blutigen Spur der Staatsgewalt, aber auch der Schikanierungen und Spitzelei unter Nachbarn wirken auf Schader überaus eindringlich. Besonders hebt sie hervor, wie Matar seine Hauptfigur führt. So erscheine Suleiman keineswegs nur hilf- und wehrlos dem Entsetzlichen ausgesetzt. In diesem Zusammenhang verweist sie auch auf eine "subtile Variation" des Sündenfallmotivs, das den Roman durchzieht. Matars Roman zeigt für sie in "schockierenden" Einblendungen nicht nur die malträtierten Leiber, sondern auch die "seelischen Entstellungen", die das System den Menschen zufügt.
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