Henning Mankell

Die rote Antilope

Roman
Cover: Die rote Antilope
Zsolnay Verlag, Wien 2001
ISBN 9783552051690
Gebunden, 381 Seiten, 21,47 EUR

Klappentext

Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Die Geschichte eines kleinen schwarzen Jungen, der Ende des 19. Jahrhunderts von wohlmeinenden Weißen nach Schweden gebracht wurde und sich dort nach seiner warmen Heimat zu Tode sehnt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.01.2002

Hannelore Schlaffer schätzt Mankells Kriminalromane mehr als seine sogenannt "afrikanischen" Romane: letztere seien weniger spannend und hätten in diesem besonderen Fall etwas von einem gutgemeinten Erziehungsroman. "Die rote Antilope" ist nämlich ein Roman über ein Kind und insofern vielleicht auch für Kinder geschrieben, aber vor allem, so Schlaffer etwas bissig, "für kindliche Gemüter". Mankell hat die Handlung ins 19. Jahrhundert verlegt: Ein Käfersammler geht auf Forschungsreise nach Afrika und bringt außer Käfern auch einen Jungen mit, dem er gute europäische Bildung angedeihen lassen will. Aber der junge edle Wilde lässt sich natürlich nicht verbilden, lautet die Kurzzusammenfassung durch die Rezensentin. Die Figur des Knaben wiederum diene Mankell zur gemäßigten europäischen Selbst- und Zivilisationskritik "in homöopathischen Dosen", wie Schlaffer moniert. Im übrigen findet sie, dass es Mankell der Empörung und Selbstschmeichelei des modernen postkolonialen Lesers einfach macht - zu einfach.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.09.2001

Henning Mankell, der schwedische Bestseller-Autor, hat sich einen Traum erfüllt und verbringt die Hälfte des Jahres in Maputo in Mosambik und leitet dort ein Theater, informiert Christine Holliger. Die Zweigeteiltheit des Lebens spiegelt sich auch in Mankells neuem Roman. Der schwedische Insektenforscher Hans Benglen begibt sich 1877 auf eine Reise in die Kalahari nach Deutsch-Südwestafrika, findet dort in einem Verschlag einen verwahrlosten Waisen, den er Daniel nennt, adopiert und mit nach Schweden zurücknimmt. Dort stirbt der Junge an Heimweh, erzählt die Rezensentin über den Inhalt. Der Vorstellungskraft von Mankell mochte Holliger nicht ganz folgen, denn vieles ist ihr zu klischeehaft: Mankell beschwöre hier eine Exotik, die einer seriösen Vorstellung entbehre. So kritisiert Holliger drastisch zugespitzte Beispiele, die der Autor wählt, um die kulturelle Differenz zwischen den Schweden und dem afrikanischen Jungen zu illustrieren, etwa wenn Daniel in die Kirche als Opfergabe in den Klingelbeutel eine Kreuzotter legt, weil die Schlange in Afrika als Nahrungsmittel etwas Positives ist. Einzig die Zeichnung der Figur Benglers findet Holliger nachvollziehbar.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.08.2001

In einer Doppelrezension bespricht Dominic Johnson zwei Bücher von Henning Mankell, in denen es jeweils um entwurzelte afrikanische Kinder geht - ein Thema, das nach Johnson gerade schwer en vogue ist.
1.) Henning Mankell: "Der Chronist der Winde"
Hier geht es, wie der Leser erfährt, um den zehnjährigen Nelio, der ein Massaker überlebt und Führer einer Straßenkindergang wird. Die Art, wie Mankell dies darstellt, erscheint Johnson zwar verkünstelt und theatralisch, doch insgesamt findet er das Buch "durch seine schlichte und unprätentiöse Schilderung kindlichen Überlebenswillens" überzeugend. Johnson ist sich sicher, dass der Leser nach der Lektüre dieses Buchs die "Straßenkinderrudel in Afrika, diese lästige Begleiterscheinung der rapiden Verstädterung", mit anderen Augen betrachten wird, nämlich menschlicher. "Selten wurde der Irrsinn des 'stundenweisen Überlebens' so ergreifend nahe gebracht", meint Johnson.
2.) Ders.: "Die rote Antilope"
Johnson findet dieses Buch abstoßend, wobei nicht wirklich deutlich wird, ob sich dies auf das Buch insgesamt bezieht oder vielmehr auf die Tatsache, dass die Schweden von Mankell als "dermaßen ekelhaft" geschildert werden, dass es für den Rezensenten kaum noch erträglich ist. Deutlich wird jedoch ohne Zweifel, dass Johnson Mankells Buch "Der Chronist der Winde" für das bessere hält. In "Die rote Antilope" wird nicht nur der zehnjährige Molo, der von Afrika nach Schweden entführt wird, von Albträumen gepeinigt, sondern offenbar auch der Leser: "Immer dann, wenn es schlimmer nicht mehr kommen kann, wird es erst recht schlimm", findet Johnson. Der Rezensent diagnostiziert in dieser "lakonisch erzählten Geschichte" eine "schnörkellose Unerbittlichkeit".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.08.2001

Für Susanne Mayer steht fest: Die Afrika-Bücher des Bestseller-Autors Henning-Mankell - "Die rote Antilope" ist das vierte - sind leidenschaftliche Plädoyers für die Wahrnehmung der Agonie des Schwarzen Kontinents und plastische Dokumente der Verzweiflung. Im neuen Roman kreuzen sich die Biografien des Käferforschers Hans Bengler, der in die Wüste geflohen ist, um dort den Sinn seines Lebens zu ergründen und seines Adoptivsohnes Daniel, den er aus Afrika mit nach Schweden nimmt und dort seinem Schicksal überlässt, erzählt die Rezensentin. Die Geschichte hat sie mit "abgrundtiefer Traurigkeit" erfüllt, dennoch ist es ihr, betont Mayer, nicht gelungen, das Buch aus der Hand zu legen. Denn Mankell erzähle mit betörender Eindringlichkeit, in Bildern und Sequenzen Träume, die die Tiefenstruktur einer schuldhaften Verstrickung der weißen Herrenmenschen in das Leben der Schwarzen offenbarten. Auch wenn Mankell am Ende Anlass zur Hoffnung geben wolle: Mayer hat das Buch gänzlich ungetröstet zugeklappt.