Harold James

Geschichte Europas im 20. Jahrhundert

Fall und Aufstieg 1914 - 2001
Cover: Geschichte Europas im 20. Jahrhundert
C.H. Beck Verlag, München 2004
ISBN 9783406516184
Gebunden, 576 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Diese Geschichte Europas im 20. Jahrhundert ist eine Darstellung aller wichtigen europäischen Entwicklungen seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs und zugleich ein großer interpretierender Essay. Harold James erzählt vom Fall Europas in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts und von seinem Wiederaufstieg in den Jahrzehnten nach 1945. Dabei hinterfragt er immer wieder die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Erfahrung in den verschiedenen europäischen Regionen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.08.2004

Christoph Cornelissen findet es begrüßenswert, dass mit diesem Buch nun endlich eine "übergreifende Darstellung" der Geschichte Europas des letzten Jahrhunderts vorliegt, besonders weil gerade die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bisher im europäischen Kontext eher "stiefmütterlich behandelt worden" ist, wie er betont. Er lobt ausdrücklich die "nüchterne Distanz und darstellerische Eleganz", mit der der britische Historiker Harold James sich auf das "Wagnis" einer Gesamtdarstellung eingelassen hat und bescheinigt ihm, mit seinem Buch mehr als nur eine "Addition europäischer Nationalgeschichten" erreicht zu haben. Zwar vermisst der Rezensent eine plausible Begründung für die Einbeziehung von der Türkei und von Russland bei diesem historischen Überblick Europas und er stellt etwas unzufrieden fest, dass James anstatt durch "prägnante Thesenführung" eher durch Informationsdichte zu überzeugen versucht. Dennoch zeigt sich Cornelissen insbesondere dort beeindruckt, wo der Autor seine "wirtschaftshistorische Kompetenz" demonstriert. Als geradezu "brillant" rühmt der Rezensent zum Beispiel die "knappe Zusammenfassung" der Gründe für die Weltwirtschaftskrise und auch die genaue Berechnung, was die "nationalsozialistische Besatzungsmacht" die verschiedenen europäischen Nationen "im Einzelnen" gekostet hat, preist er als "mehr als nützlich". Diese Konzentration auf wirtschaftliche Gesichtspunkte rechnet er allerdings dem Autor an anderen Stellen als "Nachteil" an. Den Ersten Weltkrieg findet er mit dem Schwerpunkt auf den "mengenmäßigen Einsatz" von Munition nicht hinreichend beschrieben und er vermisst die Analyse der "tieferen Ursachen" für den Krieg. Ebenfalls nur ungenügend und viel zu knapp dargestellt findet der Rezensent den Holocaust. Trotzdem lobt er das Buch insgesamt als "lesenswerte und kompakte Grundlage" für die weitere Beschäftigung mit der europäischen Geschichte und gern würde er das Buch zur "Pflichtlektüre" für diejenigen erheben, die "über den Tellerrand einer nationalfixierten" Geschichtsschreibung "hinausblicken wollen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.06.2004

Georg Kreis ist zufrieden, ohne begeistert zu sein, und bringt es auf folgenden Punkt: Diese Geschichte lässt sich lesen. Als Gesamtdarstellung enthalte sie viel "Pflichtstoff", den es zu bewältigen gelte, doch dem komme die angelsächsische Tradition der Anschaulichkeit entgegen. Harold James, nach Meinung des Rezensenten weder "simplen Fortschrittsvorstellungen" noch postmoderner Geschichtszerschnipselung aufgesessen, betrachtet das Europa des vergangenen Jahrhunderts zumindest in Teilen als "rückwärts laufenden Film" (vor die Zeitenwenden von 1789 oder sogar 1648 zurückfallend), beschäftigt sich ausführlich mit den Krisenherden der vergangenen Jahrzehnte, doch er sieht auch Licht im Dunkel (etwa die Festigung der Menschenrechte und die Wiederherstellung der internationalen Gemeinschaft). Mit bewährtem Historikerton - "kritisch, skeptisch, leicht pessimistisch" - werde der Leser "souverän" durch das Jahrhundert geleitet, wobei James' Buch natürlich als erste Gesamtdarstellung die letzten Jahre vor dem Millenium aufnehme. Auch was den ersten Teil des Jahrhunderts angeht, hat der Rezensent nichts zu meckern: Alles ist da, Wirtschafts- Kultur-, Ideengeschichte - nichts kommt zu kurz. Eine ausgewogene, sehr solide Arbeit ohne Innovationen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.05.2004

Eher kritisch äußert sich Rezensent Hans-Ulrich Wehler über Harold James' Geschichte Europas seit dem Ersten Weltkrieg. Zwar findet er den Ansatz einer vergleichenden Geschichte Europas überaus begrüßenswert. Zudem hebt er hervor, dass der in Princeton lehrende Historiker europäische Problemlagen wie auch nationale Besonderheiten gleichermaßen berücksichtigt. Aber im Einzelnen scheint ihm der Band nicht immer überzeugend. So bemängelt er, dass James' Analysen wegen der chronologischen Gliederung des Werkes keine Straffung durch klare, den riesigen Stoff einleuchtend strukturierende Interessen erfahren. Kritisch sieht er zudem, dass der Autor zentrale Problemlagen nur berührt beziehungsweise ohne Begründung übergeht, so etwa die Entwicklung der Sozialstruktur und die Persistenz sozialer Ungleichheit in Europa. Auch sonst ist Wehler mit einigem nicht einverstanden: James schildere den Ausbruchs des ersten Weltkriegs, als ob alle Staaten gleich töricht und absichtslos hineingeschlittert wären; der Aufstieg des Nationalsozialismus komme ebenso zu kurz wie tiefe Ambivalenz von Zerstörung und Modernisierung durch das nationalsozialistische Regime; die konkrete Bedeutung des Marshall-Plans für Westdeutschland werde überschätzt, um nur einige Punkte zu nennen. Fazit des Rezensenten: "Eine lehrreiche, auf umfassender Breite der Kenntnisse beruhende, nicht selten geglückte Synthese, die dennoch eigentümliche Grenzen besitzt und öfters die Frage aufwirft, warum der Autor seine wissenschaftliche Stärke nicht entschiedener genutzt hat."
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