Han Kang

Die Vegetarierin

Roman
Cover: Die Vegetarierin
Aufbau Verlag, Berlin 2016
ISBN 9783351036539
Gebunden, 190 Seiten, 18,95 EUR

Klappentext

Aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee. Yeong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. "Ich hatte einen Traum", so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2016

Ein "elektrisierendes Entreé" attestiert Rezensentin Iris Radisch Han Kangs Roman "Die Vegetarierin" und versichert: Die Autorin hält das Niveau. Murakamis Nüchternheit verbindet sich hier brillant mit dem "wohligen Schauer" von Märchen, lobt die Kritikerin, die nicht zuletzt den geschickten Aufbau dieser in drei Perspektiven erzählten südkoreanischen Parabel über Widerstand und Ohnmacht in patriarchalischen Strukturen bewundert. Vom poetisch-faktischen Einstieg über den "verstörend-schönen", an Kafkas Verwandlung erinnernden Mittelteil bis zum dritten, in der Psychiatrie spielenden, "apokalyptischen" Kapitel staunt die Rezensentin über die virtuose Kunstfertigkeit dieses beklemmenden "Todesartenzyklus'".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.09.2016

Rezensent Franz Haas liest Han Kangs mit dem Man Booker Preis ausgezeichneten Roman als Röntgenbild der modernen koreanischen Gesellschaft. Stark findet er die ihn an Kafka und Ovid erinnernde Story um die Verwandlung einer Frau in eine Pflanze. Wie sich Ehemann, Bruder und Schwester der Verwandlungswilligen dagegen wehren, ist laut Haas von Unverständnis und patriarchaler Gewalt geprägt. Die schlichte Sprache des Textes und sein kruder Realismus machen das Geschehen, an dessen Ende die Heldin in der Psychiatrie landet, für Haas nur noch schrecklicher.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 03.09.2016

Im Korea wird Han Kangs Roman "Die Vegetarierin" als Sensation gefeiert und auch hierzulande wird er viel gelobt, weiß Mara Delius und kann die Begeisterung durchaus nachvollziehen. Allerdings nur im ersten der insgesamt drei Teile des Buches, in dem ein unscheinbarer Mann den plötzlichen heftigen Wunsch seiner bis dato unscheinbaren Ehefrau schildert, eine Pflanze werden zu wollen. "Grandios" findet die Rezensentin, wie Han Kang hier das Absurde beschwört, doch leider verliert sie sich im anschließenden zweiten Teil in platter Psychologisierung, "dröge betuliche Sexszenen" inklusive, bedauert Delius.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.08.2016

Nachdem Han Kangs "Vegetarierin" bereits vor neun Jahren in Südkorea erschienen ist, hat es der schmale Roman nun auch nach Deutschland geschafft, berichtet Karin Janker erfreut. Denn das Buch besticht nicht nur durch die schlichte Poesie der Sprache, so die Kritikerin, sondern vor allem durch die abgründige Geschichte, die sich unter der surrealen Oberfläche verbirgt. In den drei Perspektiven von Ehemann, Schwager und Schwester wird die Geschichte von Yeong-Hye erzählt, die als plötzliche Vegetarierin nicht nur alle tierischen Produkte, sondern bald auch sämtliche Rollen, die in einer patriarchalen Gesellschaft von ihr erwartet werden, verweigert und sich nach der Metamorphose in eine Pflanze sehnt, resümiert Janker. Kangs jegliche Funktionstüchtigkeit ablehnende Heldin erscheint der Kritikerin wie ein "Bartleby des 21. Jahrhunderts", die statt Arbeitsverweigerung auf Konsumverzicht als Akt des Aufbegehrens setzt. Wie die Autorin hier die Pflanze als "idealen Antiheld" inszeniert, ihre Heldin als Leerstelle immer rätselhafter werden lässt und eine magisch realistische Auflösung der Geschichte verweigert, findet die Rezensentin beeindruckend und "subversiv".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.08.2016

Dietmar Dath warnt den westlichen Leser davor, Han Kangs "Vegetarierin" allzu leichtfertig in die Exoten-Schublade zu stecken. Denn das würde der multiperspektivisch erzählten Geschichte über eine Frau, die sich durch strengen Vegetarismus und die sinnbildliche Metamorphose zu einem Baum aus der familiären Unterdrückung hin zur Selbstbestimmung befreien will, nicht gerecht, meint der Kritiker. Vielmehr lernt er in diesem ebenso knappen wie komplexen Buch, das körperliches und seelisches Leiden an sozialem Unrecht thematisiert, dass politische Literatur nicht immer "naturalistisch-realistisch" sein muss. Auch mit Murakami, Kafka oder Carter will Dath die südkoreanische Autorin nicht verglichen wissen: Kang erzähle ebene nicht "menschheitsmythopoetisch", sondern ort- und zeitspezifisch. Gerade dadurch, dass Kang herrlich unscheinbar schreibe und Metaphern entsage, übe dieses Buch eine stille Macht aus, lobt Dath.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.08.2016

Martin Oehlen hält "Die Vegetarierin" für ein Ereignis und gibt zu, bereits vom ersten Satz an vom Roman der südkoreanischen Schriftstellerin Han Kang fasziniert gewesen zu sein. Vieles darin sei bizarr und unerklärlich, schreibt der Rezensent, etwa dass die Hauptfigur nach ihrem titelgebenden Fleischverzicht schon bald ein Baum werden will. Viele Fragen nach dem Warum werfe die Autorin auf, die klärenden Antworten würden aber ausbleiben. Ihre Geschichte, in der es laut Oehlen um Leben und Tod geht, erzähle Han Kang in drei Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven "unerbittlich" konsequent, in lakonischem Ton, mit scharfem Blick für Details und konzentriert auf das "Nötigste", schwärmt der Kritiker.