Gottfried Benn, Friedrich Wilhelm Oelze

Gottfried Benn, Friedrich Wilhelm Oelze: Briefwechsel 1932-1956

4 Bände
Cover: Gottfried Benn, Friedrich Wilhelm Oelze: Briefwechsel 1932-1956
Wallstein Verlag, Göttingen 2016
ISBN 9783835318267
Gebunden, 2334 Seiten, 199,00 EUR

Klappentext

Hg. von Harald Steinhagen, Stephan Kraft und Holger Hof. Dass Gottfried Benn in der "unendlichen Depression" und "Versteinerung" des Dritten Reichs künstlerisch so produktiv bleiben konnte, verdankt er zu einem wesentlichen Teil der Freundschaft mit dem weltgewandten und weitgereisten Bremer Kaufmann Oelze. Benn legte den Briefen immer wieder neue Gedichte bei und schrieb über manchen "Keim und Setzling" seiner Texte. Harald Steinhagen und Jürgen Schröder haben vor knapp 40 Jahren die Briefe von Benn an Oelze erstmals herausgegeben. Nun erscheint diese wichtigste Einzelkorrespondenz Gottfried Benns zusammen mit den überlieferten Gegenbriefen Oelzes und um einige Fehlstellen ergänzt in einer kommentierten Gesamtedition. Der stark erweiterte Kommentar berücksichtigt sowohl die seitdem neu erschienenen Quellen als auch die bislang nicht edierten Arbeitshefte und Tageskalender Benns.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.08.2016

Für Eberhard Geisler stellt der vorliegende Briefwechsel ein bedeutendes Stück deutscher Literatur des 20. Jahrhunderts dar, auch wenn Benns Briefpartner hier meist nur als wenngleich belesenes, kultiviertes Echo auftritt. Bestimmt lesenswert aber scheinen Geisler Benns Einlassungen zum Privaten, zur Erotik und zum Weltanschaulichen im aufziehenden Dritten Reich. Vor allem aber faszinieren Geisler Benns scharfe, wenngleich nicht immer gerechtfertigte literarische Urteile und die laut Rezensent deutliche Formulierung einer Ästhetik. So gesehen sind die Briefe für Geisler ein wichtiger Bestandteil des Werkes, in dem sich für ihn auch Benns Stilideal der äußerste Lakonie verwirklicht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.06.2016

Gerechtigkeit für Oelze!, jubelt Hannes Hintermeier. Die von Harald Steinhagen, Stephan Kraft und Holger Hof herausgegebene, auf Marbach-Beständen fußende erste vollständige Ausgabe der Korrespondenz zwischen Gottfried Benn und seinem treuesten Fan Friedrich Wilhelm Oelze bietet dem Rezensenten endlich Gelegenheit, das distanzierte, von Anziehung und Abstoßung beprägte, komplizierte Verhältnis zwischen den beiden Briefeschreibern zu begreifen. Vor allem aber lässt es Hintermeier erkennen, was für ein Tiefstapler dieser Oelze war. Einen gebildeten Patrizier mit literarischen Fähigkeiten, der formvollendete Briefe zu schreiben wusste, entdeckt er, einen weltläufigen Bildungsbürger par excellence, der die "drama queen" Benn über 20 Jahre mit ausdauernder Bewunderung umgarnte. Hintermeier fällt die exquisite Textkenntnis Oelzes auf. Hier sprechen zwei Ebenbürtige, meint er. Die vier Bände schließen für ihn eine allzu lange klaffende Lücke und machen den Leser bekannt mit dem geistigen und materiellen Helfer Benns.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.04.2016

Dieser Briefwechsel liest sich bestimmt faszinierend - die große Rezension des Germanisten Helmut Lethen macht das glaubhaft. Aber es handelt sich offenbar um den Briefwechsel zweier recht bizarrer und durchaus unsympathischer alter Knacker, das muss man auch sagen. Lethen ist da absolut ehrlich. Für Benn war Oelze ein nützlicher Mäzen und Kontaktmann ins Mondäne. Und gleichzeitig auch ein Echoraum für seine Aperçus und Schnöseleien. Die erstmals publizierten Oelze-Briefe lesen sich in Lethens Referat devot, ja abstoßend, wenn Oelze dem verehrten Autor etwa schreibt "kalt werden - das muss ich von Ihnen lernen". Den Verdacht auf Homosexualität versuchte Oelze laut Lethen durch besonders frauenfeindliche Bemerkungen und Geraune von kriminellen Sexualpraktiken wettzumachen. Auch Benn fühlte sich vom Briefpartner angezogen, fragte immer wieder nach seiner Kleidung, widmete sich dem "Problem der Gamaschen" und verband ihn mit der Sphäre aristokratischer britischer Dandys, für die Krieg nur eine lässig absolvierte Herrenreiterei war. Nach dem Krieg schrieb Oelze widerliche Sachen über Widerständler und Emigranten, während Benn durch den Erfolg seiner Lyrik milder gestimmt wurde und Oelze aufrief, sich zu mäßigen. Benn-Fans können sich hier über 2.300 Seiten an der berühmten Kälte des Meisters erfreuen: Lethen schlägt vor, die Brief-Dialoge zu dramatisieren oder als Hörspiel zu bringen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.04.2016

Helmut Böttiger liest den Briefwechsel zwischen Gottfried Benn und Friedrich Wilhelm Oelze aus den Jahren 1932-1956 mit großem Gewinn. Den vermeintlichen Großbürger Oelze erlebt er hier erstmals als Dienenden, Ungetrösteten, als Fan und Medium für Benn, als dessen Sparringspartner. Wie Benn im Austausch mit Oelze ästhetische Positionen probiert, seine Aura entwickelt, kann der Rezensent nachvollziehen. Ebenso die Abgründe zwischen den Briefpartnern. Die kommentierte Gesamtausgabe des Briefwechsels wird für Böttiger so zum Dokument eines Gedankenaustausches voller Inszenierung und Pose.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 12.03.2016

Der Briefwechsel zwischen Gottfried Benn und Friedrich Wilhelm Oelze in ein ungleicher, asymmetrischer, erklärt Gisela Trahms. Von Beginn an ist die Hierarchie zwischen dem Dichter und seinem Bewunderer zu spüren, auch wenn Benn sich sicherlich oft an den Gedanken und am Stil seines Gegenüber bereichern konnte, so die Rezensentin. Mehr als zwanzig Jahre währte die Korrespondenz, Treffen gab es jedoch wenige, verrät Trahms, die vermutet, dass Benn sich nur aus der Ferne auf jenem Sockel halten konnte, den Oelze ihm eingerichtet hatte.