Späte GästeRoman
Suhrkamp Verlag, Berlin
2020
ISBN
9783518429587, Gebunden, 174Seiten, 22,00
EUR
Klappentext
Ein Dorf nahe der italienischen Grenze. Spät am Abend ist die Erzählerin nach einer Todesnachricht dort eingetroffen. Orion ist gestorben, mit dem sie viele Jahre ihres Lebens geteilt hat, ehe sie mit dem Kind die Flucht ergriff. Sie will die Nacht vor der Totenmesse im Wirtshaus am Waldrand zubringen, einer ehemals herrschaftlichen Villa. Doch diese ist wie ausgestorben, der sizilianische Wirt verreist, die Wirtschafterin wie jedes Jahr zur Fasnacht im Ort jenseits der Grenze, wo sich die Dorfbewohner als "Schöne und Hässliche" verkleiden. Zwar findet sie Zuflucht im unverschlossenen Gartensaal, wo sie früher oft zusammengesessen haben. Doch aufgestört von beunruhigenden Berichten aus dem benachbarten Tal, bedrängt von Erinnerungen an Orion und von Bildern aus der Kindheit, gerät die Erzählerin in einen zwischen Nachtwache und Schlaf oszillierenden Zustand. Nicht nur Szenen aus der Vergangenheit suchen sie heim, gegen Morgen tauchen auch maskierte Gestalten auf, die sie zugleich erschrecken und anziehen.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 02.03.2021
Rezensent Hilmar Klute scheint verzaubert von Gertrud Leuteneggers Roman um eine Frau, die mit ihrer Tochter zur Beerdigung ihres Ex-Mannes in ein Tessiner Dorf zurückkehrt und dort von allerhand Erinnerungen heimgesucht wird. Für Klute hat dieses im Innern der Erzählerin ablaufende, durch Deckenfresken oder Betrunkene in den Gassen ausgelöste Erinnerungstheater durchaus etwas mit uns Menschen im Lockdown zu tun. Stark findet er zudem die Sprache im Erzählstrom, die Lichtmotivik und Leuteneggers Art, Figuren "gegeneinander spielen" zu lassen.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 26.08.2020
Rezensent Paul Jandl scheint Gefallen zu finden an den Gespenstern in Gertrud Leuteneggers etwas anderem Heimatroman. Auch wenn es in ein dörfliches Tessin geht, weiß die Autorin ihre Geschichte um eine Totenfeier und wie die Vergangenheit ins Heute ragt, laut Jandl doch mit allerhand atmosphärischen Momenten aus New York zu bebildern, mit Mythologie und politischer Aktualität (Flüchtlingskrise). Dass sich alles wie organisch fügt und parabelhaft wirkt in diesem schmalen Roman, scheint Jandl Ausweis großer Kunst.
Rezensionsnotiz zu
Deutschlandfunk Kultur, 25.08.2020
Rainer Moritz lernt von Gertrud Leutenegger, wie sich von der Gegenwart erzählen lässt. Indem die Autorin in "unauffälligen", traumwandlerischen Sätzen die Rückkehr ihrer Ich-Erzählerin in ihr Heimatdorf im Tessin beschreibt, konfrontiert sie den Leser laut Moritz mit einer "sonderbaren" Atmosphäre, in der sich Traum und Vergangenheit vermengen. Dass dies nicht künstlich wirkt, auch dann nicht, wenn Bootsflüchtlinge und Fasnacht ins Spiel kommen, hält Moritz für erstaunlich und daher lesenswert.