RusslandNation und Imperium 1552-1917
Siedler Verlag, Berlin
2000
ISBN
9783886806553, Broschiert, 592Seiten, 29,65
EUR
Klappentext
Aus dem Englischen von Kurt Baudisch. Geoffrey Hosking bricht mit einer allzu lieb gewordenen Erklärung der kontinuierlichen Rückständigkeit Russlands. In seiner Studie zeigt er, daß diese nicht auf Autokratie und Rückwärtsgewandtheit zurückzuführen ist, sondern ebenso auf die kontinuierliche Unterdrückung der russischen Nation durch das russische Imperium.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 27.12.2000
Die in diesem Buch steckende "eigenwillige Deutung" der
Oktoberrevolution als "bisher letzte und einmal mehr vertane
Chance, das russische Imperium ... in eine moderne Nation
umzuformen", muss der Rezensent um des Verständnisses willen
erst einmal auf ihre Voraussetzungen zurückführen. Immerhin
braucht Urs Hafner dafür bloss weiterzulesen, die
"stillschweigenden Annahmen" des Autors scheinen so
stillschweigend gar nicht zu sein. Allein, wenn Hafner dem Autor
schliesslich auch eine Liebe zu Russland und den Russen
attestiert, so richtig überzeugt hat ihn weder das hier
vorgeschlagene Denkmodell noch die darin enthaltene Vorstellung
von nationaler Identität.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Rundschau, 06.07.2000
Karl Grobe lobt die Untersuchung als "sehr aufschlussreich". Die Fragestellung, ob Russland nun eine Nation oder ein Imperium geworden ist, stelle einen Topos dar, und ihre Beantwortung berge Gefahr, beliebig auszufallen. Diese Gefahr habe der Autor erfolgreich umgangen, lobt der Rezensent, auch wenn er nicht mit allem einverstanden ist, was das Buch bietet. So sei der Versuch, die russische Reichsausdehnung mit der spanischen Reconquista zu vergleichen "verführerisch aber begrenzt", wie der Rezensent mit Hinweis auf die Christianisierung zu zeigen versucht. Des weiteren widerspricht er dem Autor, wenn dieser andeutet, die "unterworfenen Völker im Osten seien Nomadenvölker gewesen". Davon abgesehen aber sei die Studie besonders in Hinblick auf die jüngsten kriegerischen Auseinandersetzungen mit Tschetschenien aufschlussreich, denn hier könne man die aktuelle russische Haltung mit einem "fünf Jahrhunderte alten Topos" vergleichen, lobt der Rezensent.
Rezensionsnotiz zu
Die Zeit, 08.06.2000
Zahlreiche Einwände hat Manfred Hildermeier gegen diesen Band vorzubringen. Zwar gefallen ihm Hoskings Beobachtungen, wenn er hinsichtlich des "alten Imperiums" auf die "Kluft zwischen Elite und Masse" eingeht und erläutert, inwiefern sich der russische Adel an europäischer Kultur orientierte, während die Landbevölkerung davon vollkommen abgeschnitten war. Dennoch könne der Band die geweckten Erwartungen nicht wirklich erfüllen. Nach Hildermeier handelt es sich hier um eine "mehr oder minder knappe, eher konventionelle Geschichte Russlands", auch wenn der Autor einige neue Überlegungen vorbringe. Als Beispiel dafür nennt der Rezensent u . a. die "positive Neubewertung des Tätigkeit des Ministerpräsidenten Stolypin (1906 bis 1911)". Andere Passagen wertet der Rezensent kritisch. So hält er die "Altgläubigen des ausgehenden 17. Jahrhunderts" für in mancher Hinsicht "schlechte Kronzeugen". Völlig anderer Ansicht als der Autor ist Hildermeier hinsichtlich der Zukunft Russlands. Anders als Hosking sieht er wenig Sinn in der Entdeckung der "nationalen Seele", sondern vielmehr in dem Bemühen, "einen liberalen, pluralistischen, wirklich demokratischen Staat zu errichten".
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.05.2000
Christoph Schmidts anfänglicher Begeisterung für dieses Buch scheint schnell die Ernüchterung gefolgt zu sein. Zwar gefällt ihm, dass Hosking sich von hierzulande verbreiteten "Dogmen wie Autokratie und Rückständigkeit" hinsichtlich der Zarenzeit distanziert. Mit einem wirklich neuen Deutungsansatz jedoch habe der Autor hier unzweifelhaft Schiffbruch erlitten. Zum sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert seien Hosking vor allem "Binsenweisheiten" eingefallen und auch so manche Fehler unterlaufen. Kaum anfreunden kann sich Schmidt darüber hinaus mit Hoskings These, dass eine neue Indentität als Nationalstaat Russland heute helfen könne, "Autokratie und Rückständigkeit zu überwinden". Angesichts der zunehmenden Überwindung nationalstaatlicher Eigeninteressen und der Probleme, die dadurch aufgrund der zahlreichen Minderheiten entstehen, kann sich der Rezensent über solche Überlegungen nur wundern. Zwar findet Schmidt einzelne Passagen des Buches auch gelungen, etwa da, wo Hosking durch die Beschreibung der Überführung des Sargs des heiligen Serafim in eine Kirche gleichzeitig die Haltung Nikolaus II. zu seinen Untertanen deutlich macht. Dass der Erste Weltkrieg in dem Buch aber gerade einmal drei Seiten umfasst, gehört zu den Schwächen des Bandes, die der Rezensent mit "Kopfschütteln" kommentiert.