Ford Madox Ford

Die allertraurigste Geschichte

Roman
Cover: Die allertraurigste Geschichte
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783821844954
Gebunden, 348 Seiten, 25,31 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Fritz Lorch. Dies ist die Geschichte eines Liebesverrats. Sie spielt vor dem Ersten Weltkrieg und in den "besten Kreisen", aber sie spielt auch in der Hölle: Nicht nur ist der Erzähler ein ahnungsloser Ehemann, der neun Jahre lang kaltblütig betrogen wird; nicht nur erweist sich sein Freund, der scheinbar grundsolide Gentleman, als brutaler Schürzenjäger und seine Frau als gierige Hure. Die diabolische Ironie der Erzählung besteht vielmehr darin, dass der Getäuschte selbst ein emotionaler Krüppel ist, dessen zwanghafte Vernünftigkeit ihn irrereden lässt, so dass er sich immer tiefer in einem Spiegelkabinett aus Täuschung und Selbsttäuschung verliert. Unter der kultivierten Oberfläche tut sich ein Abgrund von Angst, Sex und Wahnsinn auf...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.02.2002

In seiner sehr langen Besprechung, in der er Leben und Werk Ford Madox Fords ausführlich würdigt, ist es Uwe Pralle ein Anliegen, auf die hohe Erzählkunst des Schriftstellers hinzuweisen. Der Rezensent kann sich kaum erklären, warum Ford, obwohl er ein beachtliches Gesamtwerk hinterlassen und die für die literarische Moderne wegweisende Zeitschrift "Transatlantic Review" herausgegeben hatte, weitgehend in Vergessenheit geriet. "Die allertraurigste Geschichte", informiert der Rezensent, ist zwar schon zweimal übersetzt worden, liegt aber nun in einer dritten vor, die das Herz des Rezensenten höher schlagen lässt. Fords Roman über das Vierecksverhältnis zweier befreundeter Ehepaare ist für den Rezensenten zweifellos ein Werk von weltliterarischem Rang. Begonnen hatte Ford diesen Roman, berichtet Pralle, im Jahr 1913, an seinem 40. Geburtstag, in der Absicht, einen reifen Roman vorzulegen. Das ist ihm, so der Rezensent überzeugt, vollends gelungen. Die Geschichte ist die einer Desillusion der bürgerlichen Ordnung, doch sie lässt sich keinem Schema unterordnen, wofür Pralle Fords "höchst subtilen Umgang mit den Erzählperspektiven" verantwortlich macht. Der "unbeteiligte Erzählduktus" des Protagonisten führe die Relativität neutraler Haltungen vor Augen und damit die Ambivalenz von Wahrnehmung. Aber nicht nur das Spiel mit den Perspektiven hat den Rezensenten beeindruckt, begeistert ist er auch von den "pointierten Sprachbildern" und der Themenvielfalt. Für Pralle steht fest: Der Roman ist ein Meisterwerk, das viel zu lange verkannt worden ist.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.03.2000

Klaus Harprecht wundert sich, daß eine "Schlüsselfigur" der englischen Literaturszene wie Ford Madox Ford in Deutschland ein Unbekannter geblieben ist. Er nutzt die Gelegenheit, den Unbekannten in einem ausführlichen Artikel zu würdigen. Fast siebzig Bücher gibt es von Madox Ford, darunter 32 Romane, und zwei davon sind jetzt in deutscher Übersetzung erschienen: "Die allertraurigste Geschichte", sein bestes Buch, wie Harprecht meint, sowie "Bezauberung", das der Rezensent keineswegs bezaubernd fand, obwohl es in Zusammenarbeit mit Joseph Conrad entstanden ist.
1) Ford Madox Ford: "Die allertraurigste Geschichte"
Die Geschichte um zwei Paare, die sich Jahr um Jahr in einem Kurort treffen, wobei die Ehepartner jeweils - wer hätte das gedacht - getrennte Wege gehen, sei keineswegs zutiefst traurig, meint Harprecht, sondern eher von "würgender Banalität". Ein feines Geflecht von Lügen, in die sich die Protagonisten verstricken; Liebeleien, viktorianischer Verhaltenskodex, alles "bloß Dekoration" und Heuchelei, findet Harprecht, in einem raffinierten Spiel, das den Leser immer wieder Scheinwahrheiten aufsitzen läßt. Dem in der Zeit des Ersten Weltkriegs entstandenen Roman wurden vom Herausgeber ein Brief des Autors, ein Nachwort sowie ein biografischer Essay erklärend zur Seite gestellt.
2) Joseph Conrad/ Ford Madox Ford: "Bezauberung"
Einen "Schmöker" nennt Harprecht dieses von Madox Ford mit Joseph Conrad gemeinsam verfaßte Werk, das nun das erste Mal in deutscher Übersetzung vorliegt. Alles, was das Leserinnenherz damals begehrte, wurde in diese Abenteuergeschichte hineingepackt: eine schöne Dame, ein edler Vater, ein intriganter Schurke, Piraten, Banditen, Mönche und sogar ein Schloß. Ein Buch "wie aus der Retorte" für den schnellen, allerdings ausbleibenden kommerziellen Erfolg gefertigt, meint Harprecht; nur das von Conrad allein verfaßte vierte Kapitel rage literarisch heraus. Die deutsche Übersetzung findet er angemessen, beanstandet allerdings die "peinliche" Übertragung von Cockney-Englisch in saarländischen Dialekt. Der Rezensent liefert in seinem Artikel noch weitere Informationen über die jahrelange Zusammenarbeit der beiden Autoren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.03.2000

Karl Markus Michel erzählt en detail die Geschichte dieses erstmals 1915 erschienen Romans nach und zieht dabei immer wieder Parallelen zu Goethes "Wahlverwandschaften": Hier ein Paar, dort ein Paar, man trifft sich regelmäßig zur Kur in Bad Nauheim, eine Ehefrau stirbt, so daß ein junges Mädchen an ihre Stelle treten und die gleiche Konstellation erstehen kann wie in den "Wahlverwandschaften": Ein Paar und zwei Singles. Man liebt sich kreuz und quer; selbstverständlich ist alles strikt 20. Jahrhundert, weshalb die Ehefrau des Verliebten nicht vernünftig sein, sondern ihn, gut katholisch, "zu Tode" quälen muß. Ford, schreibt Michel, gehe bei aller Ähnlichkeit "vielfach eigene Wege". Aber die hat der Rezensent schon so ausführlich beschrieben, dass man sich die Lektüre des Romans fast ersparen kann. Wer?s dennoch lesen will, sollte vielleicht noch dies wissen: "Die schöne Ausgabe in der Anderen Bibliothek folgt in der beschwingten Übersetzung und dem etwas müden Anhang dem Text der 1962 bei Walter erschienenen Edition."
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