Eva Weissweiler

Die Freuds

Biografie einer Familie
Cover: Die Freuds
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2006
ISBN 9783462036176
Gebunden, 479 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Schon vor der Ehe verspricht Sigmund Freud seiner künftigen Frau Martha Bernays, es den 'Biographen nicht leicht (zu) machen'. Tritt jemand mit dem Ansinnen, eine Biographie über ihn zu schreiben, an ihn heran, erklärt er, sein Leben sei nur in Bezug auf die Psychoanalyse interessant. Diese Abneigung wurde von fast allen Chronisten seines Lebens übernommen. Sie schildern den Entstehungsprozess seiner Lehren, äußern sich über seine Reisen, seine Krankheiten, seine Beziehungen zu Kollegen, klammern aber den 'Familienroman' fast vollständig aus. Von seinen sechs Kindern wird meist nur Anna, die Gralshüterin, ausführlich erwähnt. Die übrigen fünf, Mathilde, Martin, Oliver, Ernst und Sophie, könnten ebenso gut überhaupt nicht gelebt haben. Seine Ehefrau Martha erscheint höchstens als schattenhafte Figur, dazu bestimmt, ihm 'die Misere des Alltags' vom Leib zu halten. Auch das Schicksal von Freuds Schwestern - vier von ihnen kamen im Holocaust um - wird meist ausgeblendet. Eva Weissweiler unternimmt es, dieses Defizit aufzuarbeiten, und hat dafür eine Fülle von unveröffentlichten Quellen - Briefe von Martha Freud und ihren Kindern, aber auch solche von Freud selbst - ausgewertet. Sie schildert eine spannende und tragische Familiengeschichte, die von der Gründerzeit über die Weltkriege bis in die unmittelbare Gegenwart reicht, bis zu den Enkeln und Urenkeln, die Sigmund Freud noch erlebt haben: dem englischen Maler Lucien Freud beispielsweise, der amerikanischen Psychotherapeutin Sophie Freud und der englischen Schriftstellerin Esther Freud.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.05.2006

Als "biografische Unsitte" verwirft Volker Breidecker die nicht nur in deutschen Familienromanen, sondern eben auch von Eva Weissweiler in ihrer Freud-Biografie angewandte Methode der "schrankenlosen Einfühlung" in das Objekt der Untersuchung. Zwar habe die Autorin in Archiven und Nachlässen geforscht, doch ihr Stil sei so "kurzatmig und denunziatorisch" und ihre Parteinahme für die weiblichen Familienangehörigen so absolut, dass sie "ungeprüft" Gerüchte übernehme, die schon so alt wie Freud selbst sind. Wenn die Darmprobleme Minnas von Freuds Hang zum Analverkehr stammen, woher kommen dann die gleichen Probleme Freuds, fragt sich Breidecker mit einer Mischung aus Sarkasmus und Widerwillen, um sich dann zum Glück schnell eines anderen Buches anzunehmen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.04.2006

Für Ludger Lütkehaus treibt in diesem Buch ein "sattsam bekanntes 'Freud-Bashing'" neuerliche Blüten. Weissweilers Porträt lässt keine Laster aus: Es zeichnet Freud als patriarchalischen Rabenvater und betrügerischen Ehemann, seine Therapie als ein über "Fast-Leichen" gehendes Verfahren . Das Problem ist nur: Kaum eine dieser steilen (und eigentlich allbekannten) Thesen wird solide belegt und "wo die Belege fehlen, da stellt ein Gerücht sich allemal ein", schreibt ein verärgerter Rezensent. Warum der Psychoanalytiker immer noch Resonanz findet, warum er von erstaunlich vielen Menschen "geradezu geliebt und verehrt" worden ist, muss am Ende ein "abgrundtiefes Rätsel" bleiben. Aber das verwundert den Rezensenten letztlich nicht, vergisst die Autorin doch eine goldene Regel des 'Bashing' zu beherzigen: Dass nämlich jeder Denkmalsturz noch soviel Größe übrig lassen sollte, "dass die Demontage lohnt".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2006

Einen "chronologisch-synoptischen Familienroman" habe Eva Weissweiler mit "Die Freuds" verfasst, so Oliver Pfohlmann. Dabei versetzt die Autorin sich "munter" in die verschiedenen Familienmitglieder hinein, und mitunter tut sie das so beherzt, dass nicht mehr ganz klar ist, ob nun eigentlich die Biografin spricht, ob es sich um ein auf Quellen gestütztes Zitat handelt oder um pure literarische Anverwandlung. Dass man bei der Personal- und Perspektivenflut die Orientierung nicht verliert, verhindert ein Stammbaum, aber wirklich ärgerlich findet Pfohlmann, dass die Verfasserin den alten Freud nicht mag und sich ganz "distanzlos" mit Martha solidarisiert. So greife die Familienbiografin ein - von C. G. Jung in die Welt gesetztes - Gerücht auf, wonach Freud eine Affäre gehabt habe mit seiner Schwägerin Minna. Und obwohl bis heute keinerlei Beleg für dieses Gerücht aufzutreiben war, nimmt Weissweiler es als Faktum. In Folge dieser Entscheidung liefert sie einige analytische Stilblüten, wie etwa die Darmprobleme Minnas als Folge von Freuds Analverkehrspraktiken. Ansonsten aber erfahre man viel Neues, etwa, dass ein Neffe von Freud die PR begründete und ein auch auf Sigmund Freuds Einsichten beruhendes Buch mit dem Titel "Propaganda" schrieb, zu dessen eifrigen Lesern Joseph Goebbels gehörte.