Ernst Haeckel, Frida von Uslar-Gleichen

Das ungelöste Welträtsel

Frida von Uslar-Gleichen und Ernst Haeckel. Briefe und Tagebücher 1898-1903
Cover: Das ungelöste Welträtsel
Wallstein Verlag, Göttingen 2000
ISBN 9783892443773
Gebunden, 1248 Seiten, 50,11 EUR

Klappentext

Drei Bände. Mit 123 Abbildungen. Herausgegeben von Norbert Elsner. Eine der beeindruckendsten und zugleich umstrittensten Forscherpersönlichkeiten der Jahrhundertwende war der Jenaer Zoologe Ernst Haeckel (1834-1919), der als begeisterter Meeresbiologe und leidenschaftlicher Kämpfer für die Abstammungslehre die engen Grenzen zunftgerechter Naturwissenschaft weit überschritt. Medusen und Meeresplankton waren für ihn nicht nur zoologische Studienobjekte, sondern als "Kunstformen der Natur" zugleich Insignien einer Religion des Guten, Wahren, Schönen. In seinen "Welträtseln" glaubte er mit der Frage nach der Abstammung des Menschen zugleich auch das Leib-Seele-Problem gelöst zu haben. Frida von Uslar-Gleichen (1864-1903), in einem kleinen Dorf in der Nähe Göttingens lebend, stand mit Ernst Haeckel in den Jahren seiner größten Wirksamkeit in einer intensiven Korrespondenz, die sich zu einer mit ihrem frühen Tod tragisch endenden Liebesbeziehung entwickelte. Schärfer und hellsichtiger als die meisten seiner Gegner und nicht zuletzt seiner Anhänger erkannte die um 30 Jahre jüngere Autodidaktin seine Schwächen und Stärken.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.07.2001

Für Nils Röller stellt der rekonstruierte Briefwechsel zunächst mal eine Korrektur dar der von den Haeckel-Erben einst herausgegebenen melodramatisierten Fassung mit dem Titel "Franziska von Altenhausen". Was die vorliegende Ausgabe neben dem Leben und Forschen des Biologen Ernst Haeckel vor allem dokumentiert, so Röller, seien vor allen Dingen die Spannungen zwischen der Sprache der Vernunft und des Herzens. Doch sieht unser Rezensent in den drei Bänden auch ein "wertvolles Dokument der Mentalitätsgeschichte", insofern als der Briefwechsel "durch ein besonderes Zeitregime bestimmt" ist. Den Leser weiß er dadurch zu einer "differenzierten Sicht auf das Zeitalter der Beschleunigung" angeregt. Die von Röller eigens erwähnten vom Herausgeber dieser "vorbildlichen Edition" hergestellten wissenschaftlichen und historischen Bezüge und die Angaben zum Wirkungskreis Haeckels im Anhang des dritten Bands werden das Ihrige dazu beitragen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.02.2001

In einer sehr eingehenden Kritik des Bandes legt Ludger Lütkehaus zunächst einmal dar, dass die Biowissenschaften schon einmal, Ende des 19. Jahrhunderts, die Leitwissenschaften der größten und unheimlichsten Verheißungen waren. So wie durch die Genetik heute der Mensch in seinem bisherigen Selbstverständnis entthront wurde, so entthronte der Darwinismus seinerzeit die göttliche Schöpfungsgeschichte, erklärt Lütkehaus. Haeckel war einer der Protagonisten dieser Entwicklung in Deutschland und entwickelte die antichristliche Schöpfungstheorie des Monismus, die er auch im Briefwechsel mit der wesentlich jüngeren und leidenschaftlich geliebten Frida von Uslar-Gleichen darlegte. Die vorliegende Ausgabe dieser Korrespondenz lobt Lütkehaus für ihre bibliophile Ausstattung und ihren historisch-kritischen Aufwand, und erzählt, warum sie fragmentarisch bleiben muss: Ein Johannes Werner hatte diese Briefe schon 1927 für einen historischen Roman über das Paar verwertet ("Franziska von Altenhausen - Ein Roman aus dem Leben eines berühmten Gelehrten in Briefen aus den Jahren 1898-1903"). Die Briefe warf er nach der Veröffentlichung des Buchs zum Teil einfach weg! Dennoch bleibt nach Lütkehaus im vorliegenden Band genug Material, um Haeckels theoretische Positionen der Zeit, aber auch seine tragische Liebesgeschichte mit Frida von Uslar-Gleichen nachverfolgen zu können.