Philosophie-AtlasOrte und Wege des Denkens
Ammann Verlag, Zürich
2004
ISBN
9783250104797, Gebunden, 301Seiten, 43,90
EUR
Klappentext
Auf 41 Karten und Schaubildern zeichnet dieser Atlas die "Orte und Wege des Denkens" nach und veranschaulicht die Ideengeschichte der Menschheit, von ihren Anfängen bis in die Gegenwart, von Afrika bis ins "Land der Mitte" Zhongguo. Verständnis der Philosophie und ihrer Vertreter ist nur eines der zentralen Anliegen Elmar Holensteins. Das besondere Augenmerk liegt auf dem gedanklichen Austausch zwischen den Kulturen, auf dem Beziehungsgeflecht, das Erdteile verbindet. Philosophische Lehren lassen sich nicht isoliert betrachten, sie entwickeln und verändern sich in Abhängigkeit von ihrem Umfeld. So führte der Weg der sogenannten "europäischen Philosophie" nicht direkt von Hellas über Roma nach Paris, Oxford oder Königsberg, sondern erhielt gerade auf seinen "Umwegen" von Süd-west- Asien und Nord-Afrika ent-scheidende Impulse. Die Karten und ihre Begleittexte fordern auf, die Geschichte des Denkens einmal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Erdteile werden gleichrangig behandelt, eurozentrische Namen ausgespart, Fremdbezeichnungen durch Eigenbezeichnungen ersetzt: So wird Vorderasien zu Südwest-Asien, Korea zu Han'guk.
Rezensionsnotiz zu
Die Zeit, 07.10.2004
Rezensent Hans-Volkmar Findeisen lässt keinen Zweifel daran, dass man es bei Elmar Holenstein mit "einem der Großen auf dem weiten Feld der interkulturellen Philosophie" zu tun hat. Dies stelle er nun aufs Neue unter Beweis, mit einem Kartenkonvolut, das belegt, wie sehr das Denken dem Wetter ähnlich sieht: "Es ist ständig unterwegs und hält sich an keine Grenzen". Holenstein, erklärt der Rezensent, lokalisiert Denkströmungen geografisch, wobei verschiedene Epochen sich auf ein- und derselben Karte überlagern. Dadurch ergebe sich ein faszinierender und historischer Überblick (schließlich erfasst Holenstein die gesamte menschliche Zeitspanne von den Ursprüngen bis hin zur Gegenwart), der "den garstigen Graben zwischen Raum und Philosophie und den Kontinenten" schließe. Die Bescheidenheit des Autors, der sein Werk eine "Pilotstudie" nennt, will der Rezensent aber partout nicht teilen und prophezeit, dass der "Philosophie-Atlas" schon bald für Forschung und Lehre "unverzichtbar" sein wird. Interessant und wichtig erscheint dem Rezensenten dabei vor allem, dass die "Kreativität der Ränder" in Holensteins Karten offenbar wird. Dieselbe Anstrengung sei auch dem Personen- und Ortsregister anzumerken, das nicht nur mit hilfreichen Informationen lockt, sondern den Leser auch immer wieder an die Grenzen des eigenen, "eurozentrisch getrübten" Blicks stoßen lässt. Dieser Atlas, so das abschließende Lob des Rezensenten, könnte als Gegengift zum Kampf der Kulturen eingesetzt werden.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 04.09.2004
Gemischte Gefühle hat der Rezensent Uwe Justus Wenzel angesichts dieses viele Pfeile durch die Philosophiegeschichte ziehenden Atlas-Werks. So sympathisch die erklärte Absicht - nämlich den Blick für die Philosophie anderer als der westlichen Kulturen zu weiten -, so irreführend der jedenfalls vom Klappentext erhobene Anspruch, für "Tiefenschärfe" und "Veranschaulichung" zu sorgen. Was nämlich in diesem Buch gar nicht vorkommt, mithin vorausgesetzt werde, sind die Philosophien selbst. Der Atlas markiert nur historische Bezüge, Bewegungen, Entwicklungen und versetzt die Philosophen in ihre lebensweltlichen Kontexte. Dass daraus so schrecklich viel über die Philosophie zu lernen wäre, das darf man, meint Wenzel, "bezweifeln". Letztlich sei das Buch daher nicht mehr und nicht weniger als das, was der Autor (nicht der Klappentext) darin sieht: ein "geographischer Begleiter bei der Lektüre philosophiegeschichtlicher Literatur".
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.07.2004
Kurt Flasch sieht in Elmar Holensteins "Philosophie-Atlas" einen Anlass zum Staunen. In mehrerer Hinsicht. Zunächst einmal erweitere dieses die Entwicklungswege von Ideen ins geographische Bild rückende Kartenwerk die Selbsterkenntnis der westlichen Philosophie, da diese sich dabei "mit ihrer fernen Herkunft befasst". Synergieeffekte dieser Form des Staunens: "innerkultureller Austausch" und "Verständnis anderer Kulturen", womöglich sogar ein "Bewusstsein von der Einheit der Menschheit". Das "reine Denken" werde wieder auf den Boden gestellt, befindet Flasch, "ohne es von diesem abzuleiten". Staunen mag man, dem Rezensenten zufolge, auch, wenn James Watt, der Dampfmaschinenerfinder, unter die philosophischen Vordenker und Ideenvermittler aufgenommen wird; weniger strittig seien da Homer, Wagner, Musil, Gertrude Stein, Thomas Mann (die Josephsromane) und Hermann Hesse ("Siddharta"). Als besonders hilfreich empfindet Flasch die Register des vierteiligen Werkes (konzeptionelle Einleitung, Kartenteil, Personen- und Ortsregister): dank diesen werde das Staunen über die "historisch-geographische Vernetzung" philosophischer und poetischer Werke möglich: "Ein solches Kartenbild kann einen Schock und neues Nachdenken auslösen." Eine Irritation weniger angenehmer Art bereitete dem Rezensenten die Entscheidung, "alle Religionen, Religionsgruppen, Städte und Namen mit ihrer Selbstbezeichnung, also nicht mit den in Europa gängigen Namen" zu benennen. Lobende Worte findet Flasch auch für die ansprechende Gestaltung des Buches.