Deutsche Erinnerungsorte, Band II

Cover: Deutsche Erinnerungsorte, Band II
C.H. Beck Verlag, München 2001
ISBN 9783406472237
Gebunden, 725 Seiten, 34,90 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Etienne Francois und Hagen Schulze. Von Arminius bis zu den 68ern, vom Bauernkrieg bis zur Schlacht von Stalingrad, von der Hanse bis zur D-Mark, von Bach bis zu Karl May - mit den Bänden 2 und 3 liegen die "Deutschen Erinnerungsorte" nunmehr vollständig vor. In über 120 Beiträgen präsentieren herausragende Autoren aus dem In- und Ausland die wichtigsten Bezugspunkte im kollektiven Gedächtnis der Deutschen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.03.2002

Lässt sich das Erfolgskonzept der französischen Historiker Maurice Halbwachs und Pierre Nora bezüglich der "Lieux de memoire", der nationalen Erinnerungsorte, auf Deutschland übertragen, fragt Thomas Maissen gleich zu Anfang seines Artikels. Jein - lautet seine Antwort. Sein Hauptkritikpunkt an vielen Beiträgen, die in nunmehr drei Bänden gesammelt vorliegen, womit das ehrgeizige Projekt vorerst abgeschlossen sein soll, lautet: zu historiographisch. "Statt über Kanonisierungsvorgänge aufzuklären", seien gerade die deutschen Autoren der Kanonisierung verhaftet geblieben, schreibt der Rezensent. Er hebt deshalb positiv hervor, dass es den beiden Herausgebern, der eine ein Franzose, der andere ein Deutscher, gelungen ist, neben französischen auch Historiker anderer Nationalitäten für ihr Projekt zu verpflichten. Bedauerlich findet er dagegen die Vernachlässigung des Mediums Bild, das doch für die Erinnerung ein wichtiges Moment darstelle. Als positives Beispiel für einen lebendigen und unkonventionellen Umgang mit der Erinnerungskultur lobt Maissen Patrice Veits Aufsatz über Bach, den dieser als historische Figur gar nicht würdige, sondern stattdessen den Ausprägungen des Bach-Kultes nachspüre. Bei aller Mäkelei, besänftigt Maissen, sei das ganze ein lehrreiches Pilotprojekt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.12.2001

"Was macht eigentlich einen deutschen Erinnerungsort aus", fragt sich Wolfgang Kruse nach der Lektüre dieses dreibändigen Werkes. Darauf findet der Rezensent zwar keine Antwort, dennoch kann er dem umfangreichen Werk einiges abgewinnen. Doch der Reihe nach: Das Grundproblem dieser Bücher ist für den Rezensenten die willkürliche Auswahl der beschriebenen Merksteine der deutschen Geschichte. Während "Dichter und Denker" umfangreich beschrieben würden, vermisst Kruse viele "Gedächtnisorte": So etwa die Rätebewegung von 1918, das kommunistische Manifest oder den Paragraphen 218. "Bestimmten Dingen wird keine ... ein eigenes Stichwort rechtfertigende Bedeutung für die deutsche Erinnerungskultur zugesprochen", ärgert sich der Rezensent. Diese Auslassungen erklärt sich der Rezensent mit dem "höheren Kulturbegriff" der Herausgeber. Die besten Beiträge der Bände hingegen seien die, die "realen Orten" gewidmet sind, findet Kruse. Besonders lobt er die Aufsätze zu Brandenburger Tor und Führerbunker. Insgesamt erscheint die deutsche Vergangenheit hier in "dezent konservativer Tönung", bewertet der Rezensent die Ausrichtung der Bücher, die einen vertiefenden Einblick in deutsche "Erinnerungen, Mentalitäten und Selbstbilder" lieferten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.11.2001

Die dreibändige Ausgabe der "Deutschen Erinnerungsorte" ist komplett und Christoph Jahr macht sich anhand der beiden letzten nun herausgegebenen Bände an eine Gesamtwürdigung dieses "ambitionierten Versuchs", die von Pierre Nora für Frankreich vorgenommene Sammlung nationaler Erinnerungsorte auf Deutschland zu übertragen. Doch Jahr zeigt sich in seiner Rezension von dem Ergebnis dieser Anstrengung nicht ganz überzeugt. "Das aufgespannte Panorama ist beeindruckend", gibt Jahr zu, "reicht es doch von Reformation und Bauernkrieg bis zu Schiller, von Völkerschlacht und Stalingrad bis nach Wyhl, von der Museumsinsel bis zu Blut und Boden, Jugendweihe und Beethovens Neunter." Doch meldet er insgesamt drei Kritikpunkte an: Zum einen hält er Noras "lieu de mêmoire" eben nicht für auf Deutschland übertragbar, da die Erinnerungslandschaft hier "stets sehr viel heterogener, kulturell, konfessionell und regional gebrochener als im zentralistischen Frankreich" war. Des weiteren bewertet Jahr die Qualität der einzelnen Beiträge sehr unterschiedlich. Nicht alle Autoren haben es seiner Meinung nach geschafft, "die akademische Hauptseminarprosa zugunsten eines essayistischen Stils" hinter sich zu lassen. Positiv hervor hebt er hier Gustav Seibts Beitrag über das Brandenburger Tor. Schließlich hält er die progressiven Traditionen (zum Beispiel das Grundgesetz) für "insgesamt unterbelichtet", wie auch neuere Herausforderungen, etwa Globalisierung, Migration oder Informations- und Gentechnologie. "Zwar lernen wir etwas über 'die Türken vor Wien' im 17. Jahrhundert", schreibt Jahr, "nichts aber über 'die Türken in Berlin' heute".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.10.2001

Frank Böckelmann begrüßt das gleichzeitige Erscheinen des zweiten und dritten Bandes der "Deutschen Erinnerungsorte", die einem, wie er meint, mehr als der erste auch "deutsche Erinnerungsverluste und -verlagerungen" bewusst machen würden. Hierzu zählt er das Kapitel "Hausmusik" oder eines über die "Völkerschacht vor Leipzig". Das Ganze sei mehr als Materialsammlung denn als Enzyklopädie zu verstehen, betont Böckelmann. Aufgefallen ist ihm, dass viele Erinnerungsorte nicht mehr national, sondern nur noch regional verankert sind, andere Begrifflichkeiten ein spezifisch "ostdeutsches oder westdeutsches Gepräge" haben. Leider erschöpften sich viele Autoren in einer detaillierten Darstellung der Geschichte des Ortes, schreibt der Rezensent, so dass die Umtriebigkeit desselben bis in die Gegenwart ausgespart bleibe und damit manches Thema - von Richard Wagner über Stalingrad bis zu Versicherung und Karneval - verschenkt sei.
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