Der Start ins Leben

Zur Situation der Kinder in der Welt 2001
Cover: Der Start ins Leben
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783596149131
Taschenbuch, 216 Seiten, 9,66 EUR

Klappentext

Unicef informiert in seinem Bericht darüber, ob die hochgesteckten Ziele, festgeschrieben in der UN-Kinderrechtskonvention, wenigstens annäherungsweise ereicht worden sind und stellt Projekte aus allen Teilen der Welt vor, die dazu beigetragen haben, die Situation der Kinder zu verbessern.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.01.2001

In einer Sammelrezension bespricht Elisabeth von Thadden vier Bücher, die sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit den Bedürfnissen von Kindern befassen und die die Rezensentin alle für durchaus empfehlenswert hält.
1.) Unicef (Hrsg.): "Der Start ins Leben" (Fischer)
Dieses Buch hat vor allem die "vergessenen" Kinder der ärmeren Länder im Blick, so die Rezensentin, die hier weniger das Buch bewertet als vielmehr die Hauptforderungen der Autoren wiedergibt. So sei die Entwicklung des Gehirns in den ersten drei Jahren von besonderer Bedeutung, weshalb gerade den Bedürfnissen von Kleinkindern in Entwicklungsländern - etwa durch bessere Ernährung - stärker Rechnung getragen werden sollten. Zwar sind diese Forderungen nicht neu, so Thadden. Doch ihrer Ansicht nach kann es durchaus nicht schaden, immer wieder daran zu erinnern. Insgesamt handelt das Buch nach Thadden jedoch nicht ausschließlich von Kindern, sondern auch vom "losen Zusammenhang aller Weltbürger", was gerade beim Thema AIDS ganz deutlich werde.
2.) John T. Bruer: "Der Mythos der ersten drei Jahre" (Beltz)
Der These, dass die ersten 36 Lebensmonate eines Menschen für die Entwicklung des Gehirns entscheidend sind, widerspricht der Autor hier vehement, betont von Thadden. Diese These führe nach Bruer lediglich zu einer starken Verunsicherung bei Eltern, doch Kinder bräuchten keine Unsicherheiten, sondern "vor allem emotionale Gewissheit". Bruer vertritt diesen Standpunkt in seinem Buch, so von Thadden, "fast liturgisch und mit feiner Ironie". Zuwendung ist das wichtigste für Kinder, referiert die Rezensentin weiter, doch mache der Autor bei seinen Ausführungen einen deutlichen Unterschied zwischen "Zuwendung und Überversorgung". Der Autor stelle sich in seinem Buch deutlich gegen die derzeit sehr populären Thesen von der Bedeutung frühkindlicher Hirnentwicklung und plädiert im Großen und Ganzen eher für eine stärkere Erwachsenenbildung, weil für ihn das lebenslange Lernen im Vordergrund steht.
3.) Toni und Slade Morrison: "Die Kinderkiste" (Rowohlt Taschenbuch)
Nach von Thadden ist das Thema dieses Kinderbuchs die "Käfighaltung von amerikanischen Mittelstandskindern". In ihrer Kiste haben die Kinder all die teuren Spielsachen, die ihnen ihre Eltern bei ihren mittwöchlichen Besuchen abliefern. Doch Freiheit haben diese Kinder nicht, und auch an Zuwendung fehlt es. Sie werden weggesperrt, um die Erwachsenen nicht zu stören. Von Thadden sieht in dem Buch eine "groteske Zuspitzung", bei der die "übersättigte Verwahrlosung" diese Mittestandskinder - wenn auch bisweilen etwas klischeehaft - aufgezeigt wird.
4.) Burkhard Spinnen: "Belgische Riesen" (Schöffling)
Eigentlich gehört Konrad, der Protagonist dieses Romans, zu den privilegierteren Kindern, stellt die Rezensentin fest: Er lebt in einer heilen Familie und hat einen Papa, der ihm abends selbst ausgedachte Geschichten von der Schlange Anabasis erzählt. Doch Konrads kleine Nachbarin Friederike hat weniger Glück, denn ihr Vater hat die Familie gerade wegen einer Geliebten verlassen. Von Thadden gefällt es sehr, wie die bei Konrad aufkommenden Trennungsängste nun Eingang in die abendlichen Erzählungen des Vaters finden, weil der Junge anfängt, Fragen zu stellen: Ob etwa der Schlangenforscher auch von der Familie getrennt lebt oder ob er eine Geliebte hat. Von Thadden sieht die Gefahr, dass dabei der Eindruck einer "neuen Vatersentimentalität" entsteht, doch würde man ihrer Ansicht nach damit dem Buch unrecht tun. Vielmehr steht für die begeisterte Rezensentin hier das Thema "Zuständigkeit füreinander" im Vordergrund.