Der aufrechte MannRoman
Rowohlt Verlag, Reinbek
2012
ISBN
9783498039356, Gebunden, 478Seiten, 24,95
EUR
Klappentext
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Das Land ist komplett abgeschottet. Seine Straßen sind leer; streunende Hunde und Männer mit Gewehren durchqueren die Felder; Lebensmittel, Benzin und Zigaretten werden knapp; Geschäfte und Banken schließen, es ist kein Geld mehr im Umlauf. Das Staatsfernsehen sendet Berichte, denen keiner glaubt. Wer kann, flieht. Nur Leonardo, 52, ehemaliger Universitätsprofessor und Autor, zögert. Sein Leben ist aus den Bahnen geraten, seit er wegen einer Affäre mit einer Studentin, die ihn mit einem heimlich gedrehten Video verklagte, die Universität verlassen musste. Leonardo will lange nicht wahrhaben, was vor seinen Augen geschieht.
Rezensionsnotiz zu
Die Tageszeitung, 30.06.2012
Davide Longos Roman "Der aufrechte Mann" hat Sabine Seifert sichtlich beeindruckt. Dass die Endzeitvision sowohl an Cormac McCarthy "Die Straße" als auch J. M. Coetzees "Schande" erinnert - der Roman hat parabelhafte Züge, es gibt Elemente eines apokalyptischen Roadmovies, im Mittelpunkt steht ein zunächst passiver, aber aufrichtiger Literat, der sich im apokalytischen Szenario bewährt -, schadet dem Buch in ihren Augen nicht. Auch sonst enthält das Werk zahlreiche literarische Verweise, die Seifert manchmal nerven, die sie meist aber doch sympathisch findet. Das Hauptthema des Romans scheint ihr die Trägheit des Menschen, die zu Verrohung der Gesellschaft und zu Barbarei führt. Mit Lob bedenkt die Rezensentin nicht zuletzt Longos ebenso so "schöne wie kräftige" Sprache.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 22.03.2012
Franz Haas sieht von einem in seinen Augen nicht genügend beachteten Davide Longo ein finsteres Zukunftsszenario heraufbeschworen, das durch seine Schreckens-Ästhetik einen enormen Sog entwickelt, wie er lobt. Der 2010 im italienischen Original erschienene und, wie er findet, von Barbara Kleiner glänzend übersetzte Roman entwirft ein apokalyptisches Italien um das Jahr 2025, in dem der allgemeine politische und moralische Niedergang sich im Kleinen und im Großen zur Katastrophe auswächst, so Haas. Der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Leonardo versucht angesichts der totalen Auflösung jeglicher Ordnung aus seinem piemontesischen Rückzugsort mit Tochter und Sohn zu fliehen, wird erst von korrupten Milizen ausgeraubt, schließlich von einem gewalttätigen Guru gefoltert, während seine Tochter vergewaltigt und geschwängert wird. Der Autor bemüht gern literarische Vorbilder wie McCarthy oder Golding, um sein endzeitliches Schreckensszenario auszumalen, stellt der Rezensent fest. Trotzdem sieht er sich von dieser grausigen Apokalypse sehr gefesselt.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 14.03.2012
Maike Albath sieht in der düster schillernden Parabel, die der Autor hier vorlegt, das Zerrbild der Berlusconi-Ära, eine Zukunftsvision, in der die infantilisierte Konsumgesellschaft, nunmehr komplett degeneriert, als mordende, hurende Horde Wilder durchs Land zieht. Spannung bezieht Davide Longos Text für Albath aus dem Kontrast zwischen der Dramatik der Geschehnisse und der poetischen Bildhaftigkeit der Sprache, den eindringlichen Naturbildern sowie durch den Kunstgriff der Übertreibung. Bis in den Schlaf verfolgen die Rezensentin die blutrünstigen Bilder. Obgleich sie Longo noch nicht in einer Klasse mit Bolano oder William Golding spielen sieht, mitunter droht der Roman ins Kitschige zu kippen, hält Albath das Buch für eine wagemutige wie hellsichtige Sicht auf Italien.