Daniel Everett

Das glücklichste Volk

Sieben Jahre bei den Piraha-Indianern
Cover: Das glücklichste Volk
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2010
ISBN 9783421043078
Gebunden, 414 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Als Daniel Everett 1977 mit Frau und Kindern in den brasilianischen Urwald reiste, wollte er als Missionar den Stamm der Piraha, der ohne Errungenschaften der modernen Zivilisation an einem Nebenfluss des Amazonas lebt, zum christlichen Glauben bekehren. Er begann die Sprache zu lernen und stellte schnell fest, dass sie allen Erwartungen zuwiderläuft. Die Pirahã kennen weder Farbbezeichnungen wie rot und gelb noch Zahlen, und folglich können sie auch nicht rechnen. Sie sprechen nicht über Dinge, die sie nicht selbst erlebt haben - die ferne Vergangenheit also, Fantasieereignisse oder die Zukunft. Persönlicher Besitz bedeutet ihnen nichts. Everett verbrachte insgesamt sieben Jahre bei den Piraha, fasziniert von ihrer Sprache, ihrer Sicht auf die Welt und ihrer Lebensweise.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.08.2010

Mit viel Neugier und Lust hat Katharina Granzin diesen wissenschaftlichen Rechenschaftsbericht über linguistische Untersuchungen zur Sprache eines Amazonasvolks gelesen, ist das Buch aus ihrer Sicht doch viel mehr als das: nämlich auch Abenteurerreportage, persönlicher Bekenntnis- und Entwicklungsroman sowie eine "großartige Lektion in unabhängigem Denken". Im Zentrum stehen, wie wir lesen, Erkenntnisse über die Zusammenhänge von Metaphysik und Sprachstruktur, die der Linguist Daniel Everett im Zuge seiner Studien des Volks der Piraha gewann. Zuerst sei er 1977 an den Amazonas gereist, um die Bibel in die Sprache der Pirahas zu übersetzen. Er sei gescheitert, da deren Sprache so strukturiert sei, dass sie Vorstellungen nur von Unmittelbarem bilden könne. Am Ende habe Everett seinen Glauben verloren. Und zwar nicht nur den an Gott, sondern auch den an die Allgemeingültigkeit von Noam Chomskys einflussreicher Theorie von universell angeborenen Sprachstrukturen. Dass sie als "Nichtlinguistin" den Fachargumenten des Buchs mühelos folgen konnte, verdankt die Kritikerin einer "wunderbar prägnanten kleinen Einführung in die linguistischen Grundlagen" gleich zu Beginn des Buchs.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.04.2010

Mit großem Interesse hat Rezensentin Petra Kohse dieses linguistische Welten einstürzende Buch des Ethnologen Daniel Everett über die Sprache der Pirahas, eines Amazonasvolkes gelesen. Kohses Informationen zufolge tut es nämlich nichts weniger, als Noam Chomskys Sprachtheorie zu widerlegen. Das Zwingende von Everetts Thesen, die laut Rezensentin sachlich dargestellt und detailliert nachvollziehbar sind, wird aus ihrer Sicht auch dadurch nicht angefochten, dass Everett vorläufig der Einzige ist, der die Sprache dieses 350 Menschen unfassenden Stammes spricht, folglich seine Theorie erst einmal nicht nachprüfbar sei. Denn Everett sei ursprünglich gar nicht ausgezogen, Chomsky zu widerlegen, sondern um als Missionar die Bibel in die Sprache der Pirahas zu übersetzen. Ein Vorhaben, das ihn im Verlauf zum Atheisten und Sprachforscher machte, so die beeindruckte Kritikerin. Lediglich die Aufmachung der deutschen Edition provoziert ihren leisen Spott.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.03.2010

Karl-Heinz Kohl widmet Daniel L. Everetts Buch über die brasilianischen Piraha-Indianer eine umfassende Kritik und zeigt sich darin sehr beeindruckt. Der amerikanische Ethnolinguist war mit seiner Frau als christlicher Missionar und Sprachforscher in den 70er Jahren zu den an einem Nebenfluss des Amazonas lebenden Piraha gekommen, lernte während eines siebenjährigen Aufenthalts ihre Sprache und machte sich mit ihren Gebräuchen und ihrer Lebensweise vertraut, erklärt der Rezensent. Da der Forscher nicht nur über die Indianer berichtet, sondern auch über die schwierige und entbehrungsreiche Zeit bei ihnen, liest sich diese Buch packend wie ein "klassischer Abenteuerroman" stellt der Rezensent fest. Daneben legt Everett aber auch eingehend die in der Welt wohl einzigartigen Sprachstrukturen der Piraha dar, deren Entdeckung nicht zuletzt die allgemein anerkannte Sprachtheorie Noam Chomskys in Frage stellt, wie Kohl sehr interessiert darlegt. Wenn er dann noch liest, wie sich Everett Schritt für Schritt von seinem christlichen Glauben distanziert und in die Vorstellungswelt der Indianer, die ganz dem Jetzt und Hier verhaftet ist, eintaucht, dann wandelt sich das Buch für den faszinierten Rezensenten gar zum "Bildungsroman". In seiner Mischung aus wissenschaftlicher Studie und persönlichem Bekenntnis aber sieht Kohl die "Tradition des philosophischen Reiseberichts" wieder aufleben und als solches hat ihn dieses Buch zutiefst begeistert. Lediglich der deutsche Titel ärgert ihn, denn in seiner Plakativität wird er diesem komplexen Werk in keiner Weise gerecht, wie Kohl streng anmerkt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.03.2010

Hingerissen zeigt sich Harald Eggebrecht von Daniel Everetts Buch über sein Leben mit den Piraha-Indianern am Amazonas. Das Werk ist für den Rezensenten zugleich anthropologischer Spracherforschungsbericht, Expeditionsabenteuererzählung und philosophischer Essay. Dem Autor, Linguist und Anthropologe, gelingt es seines Erachtens, wunderbar anschaulich von der Erforschung dieses kleinen Volkes, das völlig unbehelligt von jeder Zivilisation lebt, zu erzählen. Damit ermögliche Everett dem Laien auch einen guten Einstieg in die Welt der Anthropologie und Linguistik. Eggebrecht berichtet über Erlebnisse und Erfahrungen des Autors, dem es anfänglich darum gegangen war, die Sprache der Piraha-Indianer zu erlernen, um eine vernünftige Bibelübersetzung für sie zu verfassen. Besonders hebt er hervor, wie Everett sich durch die Unmittelbarkeit der Piraha-Indiander, ihre Daseinsfreude, ihre Weisheit verändert und schließlich seinen Glauben verliert. Das positive Fazit des Rezensenten: "aufschlussreich, unterhaltsam, spannend und den Blick weitend".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de
Stichwörter