Das Mädchen und der TräumerRoman
Folio Verlag, Wien - Bozen
2017
ISBN
9783852567150, Gebunden, 340Seiten, 22,00
EUR
Klappentext
Aus dem Italienischen von Ingrid Ickler. Träume sind Bruchstücke einer Wirklichkeit. Das weiß der Lehrer Nani Sapienza, als er von einem Mädchen träumt, das seiner verstorbenen Tochter ähnlich sieht. Nachdem er am Morgen danach von der vermissten Lucia im Radio hört, ist er überzeugt, dass sie ihm im Traum erschienen ist. Lucia ist spurlos verschwunden, und nach Wochen der vergeblichen Suche geben Polizei und Eltern auf. Nur Nani hört nicht mit seinen Schlussfolgerungen und besessenen Nachforschungen auf und zieht den Argwohn der Kleinstadt auf sich - aber seine Schüler der vierten Grundschulklasse, die nie genug von den wundersamen Erzählungen ihres Lehrers bekommen, bringt er zum Nachdenken. Die Suche nach Lucia wird bald zu einer Suche nach sich selbst.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 04.07.2017
Rezensent Henning Klüver mag die Romane der italienischen Autorin Dacia Maraini, die ihm oft in Kriminalform von Traumbegegnungen erzählen. Auch in Marainis aktuellem Roman folgt der Kritiker dem Grundschullehrer Nani Speranza zunächst durch einen Traum: Ihm erscheint ein junges Mädchen, das er erst für seine an Leukämie gestorbene Tochter, bald aber für die verschwundene Schülerin Lucia hält und deren Schicksal er fortan nachspürt, resümiert Klüver. Wie Maraini Traumwelten, den Umgang mit dem Tod und aktuelle Probleme wie Kinderprostitution oder das Verhältnis von Erziehern und Schülern miteinander verknüpft, hat dem Rezensenten gut gefallen. Dass die in Schulen engagierte Autorin ab und an in die Form eines Artikels verfällt, geht für Klüver in Ordnung.
Rezensionsnotiz zu
Neue Zürcher Zeitung, 30.03.2017
Rezensent Franz Haas hat die italienische Grande Dame der Literaturszene Dacia Maraini in Rom getroffen, um mit ihr über Kindheit, über Feminismus und ihren neuen Roman zu sprechen. "Das Mädchen und der Träumer" ist ebenso Kriminalroman wie "finsteres Sittenbild" des heutigen Italiens, lesen wir. Es geht, wie in vielen ihrer Bücher, um Kindheit, was man nach Haas' kurzem biografischen Überblick sehr gut nachvollziehen kann, aber es geht auch um Pädophilie, um Verbrechen, Verleumdung, um Sextourismus und Fanatismus. Auf den Einwand, ob das nicht eine allzu übertriebene Anhäufung "menschlicher Niedertracht" wäre, lässt der merklich bewundernde Rezensent die Autorin selbst antworten: Die Realität sei doch noch um einiges erschreckender.
Rezensionsnotiz zu
Die Welt, 18.02.2017
Für Rezensent Marc Reichwein ist Dacia Maraini nicht nur die "Großfeministin" sondern gleich die "Grande Dame" der italienischen Literatur. Ganz so superlativisch fährt der Kritiker in seiner Besprechung des zwischen Thriller und Psychogramm oszillierenden Romans dann aber nicht fort: Vom Thema Kindesverlust und den traumatischen Folgen erzählt die Autorin überzeugend, so Reichwein, wenngleich er gestehen muss, dass sie ein paar "Spuren" zu viel auslegt: islamistische Fundamentalisten tauchen hier ebenso auf wie Kinderbordelle in Kambodscha oder verschiedene Formen der Pädophilie, klärt der Rezensent auf. Dass Maraini in dozierendem Duktus auch noch eine Kulturgeschichte des Kindesverlusts von Rotkäppchen über Alice im Wunderland bis zum Raub der Sabinerinnen unterbringt, scheint ihn hingegen nicht zu stören.