Colum McCann

Zoli

Roman
Cover: Zoli
Rowohlt Verlag, Reinbek 2007
ISBN 9783498044893
Gebunden, 383 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Zoli Lackowa ist Roma, geboren und aufgewachsen vor dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Bratislava. Sie überlebt den Holocaust versteckt in den Wäldern und lernt dort, höchst ungewöhnlich für eine Zigeunerin, lesen und schreiben. In der kurzen politischen Aufbruchsstimmung nach Vertreibung der Nazis beginnt sie - beobachtet von dem jungen Iren Stephen Swann, der sich sofort in sie verliebt -, die Gesänge ihres Volkes aufzuschreiben und ihre Erfahrungen in Gedichten festzuhalten. Die tschechoslowakische Regierung versucht sie als Büttel für die Sesshaftmachung der Roma und die "völkerverbindenden" Gedanken des Sozialismus zu vereinnahmen, worauf ihre Sippe sie verstößt. Hilfesuchend wendet sie sich an Stephen, doch der versagt und betrügt sie. Nun ist sie ganz allein, eine Verfemte in der eigenen Heimat. Mit nichts als dem, was sie am Leib hat, macht sie sich auf in jenen mythischen Westen, in dem es wahre Freiheit geben soll. Drei Jahre dauert ihre Reise; ihr Ziel ist ungewiss. Und noch länger wird es dauern, bis sie ihren verräterischen Geliebten wieder trifft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.03.2007

Verena Lueken gibt sich alle Mühe, das Buch zu retten. Schließlich hat Colum McCann sie als mutiger Kämpfer gegen Klischees bisher kaum je enttäuscht. In die beim Thema Roma-Verfolgung lauernden "Kitschfallen" aber tappt McCann nun dennoch, "nicht in alle" zwar, aber doch so, dass Lueken sich durch "mühsame Folklore" schlagen muss, ehe sie auf "Bewegungen und Gegenbewegungen" im Text stößt, die ihr interessant erscheinen. Leider ist ihr zu diesem Zeitpunkt bereits klar geworden, dass sich dieser Stoff besser für eine "klassische, kühle Reportage" eignet als für einen Roman.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.03.2007

Gespalten ist der Rezensent Friedhelm Rathjen, was sein Urteil zu diesem übervollen Roman über das übervolle Leben der Roma-" Dichterin, Sängerin und Kommunistin" Zoli" angeht. Sehr gründlich und lange habe der Autor Column McCann für dieses Buch recherchiert; die Fakten also dürften stimmen. Die Geschichte ist auch nicht frei erfunden, sondern angeregt durch das Leben der real existierenden polnischen Sängerin Papusza. Leider erweise sich aber gerade die Recherche fürs Erzählen als Problem. Der aus verschiedenen Perspektiven geschilderte Lebenslauf Zolis wird nämlich immer dann in seinem Fortgang entscheidend gebremst, wenn sie oder der andere Ich-Erzähler Stephen Swann - der sie förderte, liebte, verriet - zu berichten beginnen: In ihre Rede nämlich stopfe der Autor die Fakten, die er unbedingt unterbringen will. Umso bedauerlicher ist das, so Rathjen, da McCann sich in den anderen Passagen als knapper, geschickt Spannung aufbauender Erzähler erweise.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.02.2007

"Dekonstruktivismus und Postkolonialismus als Kitsch, das hatten wir noch nicht", stellt Rezensent Michael Rutschky nach vollzogener Lektüre dieses Romans naserümpfend fest. Und fast ist er sogar voll des Respekts, dass es diesem irisch-amerikanischen Autor gelang, auch noch den Holocaust an den Zigeunern, den sozialistischen neuen Menschen, Proust und das Schreiben als solches in seinem Buches zum Thema zu machen. Als dessen Zentrum beschreibt er das Roma-Mädchen Zoli, dass mit ansieht, wie die Nazis seine Großfamilie in einem Teich ertränken und das als Erwachsene schließlich die Gesänge seines Volkes aufzuschreiben beginnt. Schwere Seufzer des Rezensenten dringen immer wieder durch die opulente, ironisch gefärbte Schilderung der (offenbar recht unwahrscheinlichen) Ereignisse. Besonders beeindruckt ist Rutschky, wie gesagt, dass es Colum McCann auch noch gelingt, die dekonstruktivistische Theorie des L'autre in puren Kitsch zu überführen. Doch hatten wir das wirklich noch nicht?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.02.2007

Kai Wiegandt zeigt sich zwar durchaus beeindruckt von diesem Roman über eine Roma, die im 20. Jahrhundert, von Faschisten und Stalinisten verfolgt, zur Dichterin wird. Am Ende aber ist er trotzdem etwas enttäuscht. Die Geschichte der Zoli, die ein reales historisches Vorbild hat, wie der Rezensent weiß, wird abwechselnd aus verschiedenen Erzählerperspektiven und aus der Sicht der Hauptfigur erzählt. Der dadurch wechselnd sachliche und pathetische Ton fasziniert Wiegandt und er lobt den irischen Autor für die Unaufdringlichkeit, mit der er seine sehr gründlich recherchierte Geschichte einer Roma an die Leser bringt, ohne lehrerhaft oder verklärend zu wirken. Schade findet er, dass die Figur der Zoli bei diesem Verfahren niemals richtig an Plastizität gewinnt. Und so würdigt er zwar das "Interesse" und die Sympathie, mit dem sich McCann der Roma-Kultur widmet, so richtig in den Bann gezogen fühlt sich der Rezensent jedoch nicht.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.02.2007

Überaus beeindruckt ist Rezensentin Tanya Lieske von diesem Roman, in dessen Zentrum ihren Informationen zufolge Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma stehen - und die Geschichte eines Mädchens, das die Massaker überlebt. Besonders die "zarte Schlichtheit" mit der dieser irische Autor die Ereignisse zu schildern versteht, machen das Buch für die Rezensentin so "ergreifend". Colum McCann schicke kein Wort zuviel "in die Runde", was seine Sätze für die Rezensentin erst recht "unausweichlich" wie das Unglück macht, von dem sie erzählen. Auch die Unaufdringlichkeit, mit der McCann soziale Fragen bearbeitet, entlockt der Rezensentin höchstes Lob. Sogar noch die Schilderung einer verbotenen Liebe bewältigt der Autor mit einer Leichtigkeit der Sprache, die der Rezensentin Begeisterungsschauer über den Rücken jagt, weil sie in den "schönsten Momenten" so beweglich leicht wird, dass sie ihr "Vorhandensein" völlig vergisst.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.01.2007

Yaak Karsunke schickt seiner Besprechung vorweg, dass er die Bezeichnung "Zigeuner" in keiner Weise abwertend meint, sondern allein historisch. Um die Geschichte einer jungen Zigeunerin geht es also in diesem neuen Roman Colum McCanns, den Karsunke geradezu bewunderungswürdig findet. McCann erzählt die Geschichte von Zoli, deren Eltern bei einem Pogrom der slowakischen Hlinka-Gardisten ermordet werden und die bei ihrem Großvater aufwächst, der ihr mit Karl Marx' "Kapital" das Lesen beibringt. Sie überlebt den Terror der slowakischen und schließlich deutschen Faschisten und reüssiert in der Nachkriegsslowakei als "proletarische Dichterin". Doch die revolutionäre Aufbruchstimmung verflüchtigt sich recht bald, erzählt Karsunke die Geschichte weiter nach, und Zoli dient nur noch der stalinistischen Kampagne zur Sesshaftmachung. Ihre Sippe verstößt sie, mit der Partei bricht sie selbst. Die Geschichte hat es dem Rezensenten angetan. Besonders bestechend findet er, wie McCann einer Lebensweise solch großen Respekt bezeugen kann, ohne sie zu "beschönigen oder gar zu idealisieren".
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