Colin McAdam

Ein großes Ding

Roman
Cover: Ein großes Ding
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783803131904
Gebunden, 374 Seiten, 22,50 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Jerry McGuinty hat sich mit Fleiß und ungewöhnlich geschickten Händen zum Bau-Giganten hochgearbeitet. Simon Struthers dagegen ist hoher Regierungsbeamter im Bereich Landschaftsplanung, Sohn eines Ministers, vermögend. Die Geschichte der beiden beginnt im Ottawa der siebziger Jahre, einer aufblühenden Hauptstadt. Ihr persönliches Glück suchen sie in der Liebe: Jerry bei seiner Frau Kathleen, Simon in zahllosen Affären. Bei dem einen bleibt die Liebe im ehrgeizigen Streben nach dem großen Ding auf der Strecke, bei dem anderen durch sexuelle Besitzgier und Geltungsdrang. Ihre Lebensentwürfe kollidieren, als für beide alles auf dem Spiel steht, und der Roman nähert sich einem erstaunlichen Ende.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.01.2005

Einen gelungenen Debütroman sieht Rezensent Tobias Döring in diesem Buch des kanadischen Autors Colin McAdam, der in der "blanken Wohlanständigkeit" Ottawas das "Terrain bizarrer Alltagsabenteuer" sucht und findet. Zwar sei es bisweilen schwierig bei den beiden Familiengeschichten den Überblick zu gewinnen, da McAdam fast den gesamten Text in Dialog und wörtliche Rede auflöse, die übergangslos einsetze, unvermittelt abbreche und manchmal nur mit minimalen Hinweisen überhaupt bestimmten Sprechern zuzuordnen sei. Schauplatz und Handlungsgefüge gewinnen so erst ganz allmählich an Kontur. Andererseits sieht Döring darin gerade eine Qualität des Romans, zumal McAdam seines Erachtens über ein gutes Erzähltalent verfügt. Habe man einmal die Figuren anhand von Dialogfetzen und Redegesten geortet, so lese man den Roman mit zunehmenden Vergnügen. Wie McAdam den Leser zu "immer wieder faszinierten Ohrenzeugen" seiner Dialoge macht, findet Döring "ebenso gekonnt wie amüsant". Insgesamt nötige der Roman dem Leser durch die Dialogmitschnitte eine distanzierte, ständig analysierende Rolle auf, die verhindere, dass er am Schicksal seiner Vorstadthelden jemals wirklich Anteil nehme. Überzeugt zeigt sich Döring auch von der "fabelhaften deutschen Sprachgebung" von Eike Schönfelds Übersetzung.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.12.2004

Die Rezensentin Katrin Kruse ist beeindruckt von diesem ebenso "rasanten" wie "dialogstarken" und trotzdem "ernsthaften" Roman. Besonders gefällt ihr der Umstand, dass es dem Autoren gelungen ist, "lebendige Figuren" zu schaffen, die für sich selbst sprechen, anstatt dass sich der Autor "blinzelnd" oder "hämisch" zwischen die Protagonisten und ihr Umfeld schöbe. Die beiden Helden, Jerry McGuinty und Simon Struthers, könnten unterschiedlicher nicht sein - der eine baut "solide Wände", der andere vernebelt sich in "dunstiger Rhetorik" - doch etwas haben sie gemein: Ihnen beiden geht die "Gewissheit verloren, der zu sein, der man einmal glaubte, werden zu können". Wie Colin McAdam von diesem desillusionierenden Prozess erzählt, findet Kruse schlichtweg "großartig".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.11.2004

Sehr angetan zeigt sich die Rezensentin Bernadette Conrad von Colin McAdams Geschichte zweier Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten: der Maurer und Bauunternehmer Jerry McGuinty und der Angestellte bei der städtischen Baubehörde Simon Struthers, die beide bauliche Träume für ihre Stadt Ottawa hegen. Wie die Rezensentin erklärt, entwickelt McAdam ihre Lebensgeschichten parallel über dreißig Jahre, und da beide "eingewoben sind in die bauliche Wachstumsgeschichte ihrer Stadt", erwartet man als Leser, dass sich ihre Schicksale kreuzen werden. Dass sie dies auch tun, ist fast nebensächlich, denn auf diese Art von Verbindung kommt es McAdam in den Augen der Rezensentin nicht an. Sein Augenmerk sei vielmehr auf ihre jeweilige Art gerichtet, mit ihren Träumen umzugehen. Eine Art, die sich auch im Scheitern wiederfinde, denn Jerry scheitere "aktiv" und "leidenschaftlich", während Simon sich in "wehleidiger Selbstbespiegelung" ergehe. Sehr gefallen hat der Rezensentin, wie sich aus dem Kreisen um das "große Ding", um das Lebenswerk, ein Kern der Einsamkeit und der Stille schält: "Stille als Fluchtpunkt des Romans, als Moment der Überprüfung, wie viel Wirklichkeit aus einem Traum geworden ist; wie viel Beziehung aus einem Dialog." In dieser Hinsicht, so die Rezensentin, ist es am Ende McGuinty, der das Scheitern überwunden hat, indem er zur Demut gelangt und durch seine Rückkehr ins Kleine zum Großen findet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.10.2004

Die Rezensentin Sabine Franke hätte nicht gedacht, dass zwei Figuren wie der Bauunternehmer Jerry McGuinty und der Staatsbeamte Simon Struther als Erzähler für einen Roman taugen würden. Doch sie überzeugen, von Anfang an, der "hemdsärmelige In-die-Hände-Spucker" McGuinty, dessen raue Stimme man förmlich zu hören meine, wie auch Struther, der seine Architekturvisionen für die Stadt Ottawa in eine ganz eigene "ehrgeizig poetische" Sprache kleide. Colin McAdams Roman, angesiedelt im Ottawa der siebziger Jahre - ein Ottawa, das es zu gestalten gilt, und das beide Figuren gestalten wollen - steht seinerseits da "wie ein Neubau", findet Franke. Sie staunt, wie es McAdam gelingt, einer Stadt durch solch "unliterarische" Figuren Leben einzuhauchen. Was der kanadische Autor hier bietet, so ihr abschließendes Fazit, ist "bestes naturalistisches Welttheater" und "für ein Debüt wirklich beachtlich".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2004

Oha! So eine Biografie würde man auch gerne vorweisen! Aufgewachsen in Hongkong, Dänemark, England und Kanada, berichtet Kai Martin Wiegandt, pendelt Colin McAdam heute zwischen Sydney und Montreal, zwischendurch habe er in Cambridge Renaissanceliteratur studiert. Ein weltläufiger Mann also, der dennoch bodenständige Charaktere aufs Papier - oder wenn es nach Wiegandt ginge - auf die Bühne bringt. Denn McAdam hat seines Erachtens ungemein viel dramatisches Gespür und eine große Begabung für Dialoge, die seinen Roman manchmal seitenlang füllten, ohne dass ein Erzähler in Sicht oder nötig sei. "Ein großes Ding" schildert zwei Männerschicksale, die beruflich - beide haben im entferntesten mit Bauvorhaben bzw. dem Baugeschäft zu tun - in Berührung kommen. Der vom Bauarbeiter zum Bauunternehmer aufsteigende Jerry McGuinty werde von McAdam mit viel Sympathie zum Helden der Unterklasse erklärt, weshalb der Roman Wiegandt streckenweise an die Melodramen englischer Regisseure aus dem Arbeitermilieu erinnert. Das Melodram hat auch komische Seiten, "Ein großes Ding" ist ein Buch, das die Leser häufig zum Lachen oder wenigstens zum Grinsen bringt, verrät Wiegandt, im übrigen erfahre der Leser alles Wissenswerte über Mörtel, Gipskartonplatten und andere Baumaterialen, die bei der nächsten Renovierung hilfreich sein könnten. "Ein fabelhaftes Buch", schwärmt Wiegandt.
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