Christoph Schulte

Die jüdische Aufklärung

Philosophie, Religion, Geschichte
Cover: Die jüdische Aufklärung
C.H. Beck Verlag, München 2002
ISBN 9783406488801
Broschiert, 279 Seiten, 12,90 EUR

Klappentext

Christoph Schulte bietet einen umfassenden Überblick über alle zentralen Aspekte und Personen der jüdischen Aufklärung. Er beschreibt, wie sich erstmals die Aufklärungsbewegung einer Minderheit gegen zahlreiche innere und äußere Widerstände einen Weg in die bürgerliche Gesellschaft Deutschlands gebahnt hat. Die jüdische Aufklärung - hebräisch Haskala - entstand im Kreis um Moses Mendelssohn in Berlin. Von dort verbreitete sie sich rasch in Preußen und der Donaumonarchie, in Frankreich und Russland. Ihre Protagonisten sprachen und schrieben Jiddisch, Hebräisch und Deutsch, sie erlernten aber auch Englisch, Französisch oder Latein, um sich mit Wissenschaften, Literatur und Künsten der nichtjüdischen Welt seit der Antike vertraut zu machen. So wollten die jüdischen Aufklärer auf den Stand der europäischen Aufklärung gelangen und namentlich an den Debatten und dem gesellschaftlichen Leben der deutschen Spätaufklärung gleichberechtigt teilhaben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.11.2002

Die jüdische Aufklärung - "Haskala" -, die der jüdische Philosoph Moses Mendelssohn in einzigartiger Weise verkörperte, stößt mit Notwendigkeit auf die Frage nach dem Offenbarungsstatus der Tora. Baruch Spinoza, der frühe jüdische Aufklärer, erklärte die Tora zum historischen Text, der unter partikulären Umständen entstanden war. So weit wollte die spätere "Haskala", wollte und konnte auch Mendelssohn nicht gehen. Historisches und zeitlos Gültiges sollte getrennt, aber das eine gegen das andere bewahrt werden. Neben der Darstellung von Mendelssohns Position bietet Schulte auch Porträts und, so Micha Brumlik, "geistesgeschichtliche Vignetten" anderer jüdischer Aufklärer wie Friedländer, Bendavid, Hirschfeld etc. Der Rezensent bescheinigt dem Autor dabei einen "sorgfältigen Blick", und weist darauf hin, dass Schulte die Behauptung der neueren Forschung, protestantischer Antijudaismus und jüdische Judaismus-Kritik liefen auf dasselbe hinaus, nicht mitmacht - und zwar zu Recht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.07.2002

Rezensent Wilhelm Schmidt-Biggemann zeigt sich überaus angetan von Christoph Schultes "emanzipierter Studie" über die Haskala, die jüdische Aufklärung. Während die Epoche der europäischen Aufklärung etwa von 1680 bis 1800 dauerte, konzentrierte sich die jüdische Aufklärung auf die Jahre zwischen 1767 und 1792, berichtet Schmidt-Biggemann. In diesem kurzen Zeitraum, markiert durch das Erscheinen von Mendelssohns "Phaidon" und Salomon Maimons autobiografische Lebensgeschichte, brach, so Schmidt-Biggemann, ein "Aufklärungsgewitter" über das deutsche Judentum herein, das in einem beispiellosen und schmerzlichen Prozess auf der einen Seite Modernisierung, auf der anderen Seite den Zusammenbruch alter Traditionszusammenhänge bedeutete. Schultes Beschreibung dieses Prozesses findet Schmidt-Biggemann "hochinteressant". Er hebt lobend hervor, dass Schulte in seinem "knappen und konzisen Buch" zum ersten Mal "umfassend die Bewegung der jüdischen Aufklärung gelehrt, mit vielen biografischen Daten, mit ausführlicher Bibliographie und Begriffsverzeichnis" zusammenfasst. Viel interessanter erscheint Schmidt-Biggemann indes, "dass der Stoff, den der Autor eigentlich brav und aufklärungsapologetisch darlegen wollte, sich ihm unter der Hand radikalisiert". Am Ende flackere das Doppelgesicht der Aufklärung auf: "Trostreich und destruktiv zugleich."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.05.2002

Eine einem breiteren Publikum verständliche Darstellung der jüdischen Aufklärung war bisher ein Desiderat. Umso erfreuter zeigt sich Rezensent Stephan Wendehorst über Christoph Schultes Studie über die jüdischen Aufklärung, die diese Lücke nun schließt. Wendehorst hebt hervor, dass Schulte sich nicht mit einer Zusammenfassung des Forschungsstandes begnügt, sondern eigene Akzente setzt. Zunächst arbeitet Schulte nach Auskunft des Rezensenten die Besonderheiten der jüdischen Aufklärung im Unterschied zur deutschen, englischen und französischen heraus. Wie Wendehorst darlegt, sieht Schulte in der jüdischen Aufklärung eine mehrsprachige und multikulturelle Aufklärung, deren Anhängerschaft hinsichtlich ihrer sozialen und geographischen Herkunft heterogen war und sich Kenntnisse einer fremden Kultur aneignen musste. In weiteren Kapiteln widmet sich Schulte laut Rezensent "zentralen Referenzgrößen" jüdischer Aufklärung, etwa der Tora, dem Talmud, der Kabbala, der Kantischen Philosophie, der Emanzipationsdebatte. Auch wenn Wiederholungen nicht ausbleiben, lernt der Leser die Protagonisten der jüdischen Aufklärung zur Freude des Rezensenten nicht in ermüdenden Einzelporträts, sondern in unterschiedlichen Konstellationen kennen, bis Schulte im Schlusskapitel den Bogen mit der Gegenüberstellung von Moses Mendelssohn und Salomons Maimon schließt. Einziger Kritikpunkt des Rezensenten ist, dass Fragen nach der europäischen Perspektive und den Strukturbedingungen der jüdischen Aufklärung sowie nach der weiteren Wirkung der jüdischen Aufklärung etwas zu kurz kommen.
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