Auch wenn Susan Sontag und Christa Wolf vieles gemeinsam haben, so unterscheidet sich die amerikanische von der deutschen Kollegin in einem zentralen Punkt, behauptet Ursula März: in ihrer Ablehnung der "Krankheit als Metapher". Für Christa Wolf sei das ein ganz selbstverständlicher, geradezu ihr "innigster" Gedankengang, führt März dagegen an und zitiert Wolf aus einem kürzlich gegebenen Spiegel-Interview: "Jede Zelle des Körpers reagiert, wenn in der Gesellschaft etwas nicht stimmt." Die Psychosomatiker würden bedenkenlos zustimmen, so März, aber was heiße das in der literarischen Praxis? Heißt das nicht auch, fragt sie weiter, dass man alles, jedes Symptom mit Argwohn betrachten muss, dass nichts unverdächtig bleibt? Diese Grundhaltung, die März auch als den "Vergeblichkeitsblick" bei Wolf bezeichnet, zieht sich für die Rezensentin durch das ganze Buch, das im übrigen nach einem besonderen literarischen Prinzip funktioniert: vierzig Jahre lang hat Wolf ihren Alltag an einem 27. September protokolliert. Zufällig der Tag vor dem Geburtstag der Tochter, so dass sich Veränderungen im Leben der Autorin plausibel abbilden lassen, meint März. Jene Leidenshaltung an der Welt (nicht im Privaten, wo ein außerordentliches Eheglück geschildert werde), diese seltsam "diffuse Melancholie" gleicht in den Augen von März einem hypochondrischen Bewusstsein; allerdings, und das sei das Bitterste einer solchen Lebensbilanz, meint März, handele es sich dabei um etwas "zutiefst Unbewusstes".