Asfa-Wossen Asserate

Manieren

Cover: Manieren
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783821845395
Gebunden, 330 Seiten, 27,50 EUR

Klappentext

Der Autor dieses Buches, ein äthiopischer Prinz, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, ist ein solcher Fremder. Die europäischen Sitten in ihrer deutschen Spielart sagen mehr über uns, als wir, in unserem Mißtrauen gegen die Tradition, gemeinhin glauben. Über die Zähigkeit der Manieren kann man sich wundern, ärgern oder freuen. Radikale Demokraten betrachten sie als eine Art stillen Skandal, weil sie gegen das heilige Gebot der Gleichheit verstoßen. Andere verteidigen die Höflichkeit gegen ihre Verächter. Fest steht nur, dass sich Manieren nie einwandfrei begründen lassen; sie sind der leibhaftige Anachronismus. "Manieren" ist kein Anstandsbuch. Es liegt dem Autor fern, dem Leser Vorschriften zu machen. Doch die ungeschriebenen Regeln faßt er genau ins Auge. Ist der Handkuss peinlich? Kann man den Spießer loben? Sind Contenance und Diskretion Fremdwörter? Hatten auch die Kommunisten Manieren? Stirbt das Kompliment aus? Wie vulgär ist die Mode? Gibt es Damen und Herren, oder nur Männer und Frauen? Solche und hundert andere Fragen werden hier erörtert.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.12.2003

Ursula Pia Jauch spricht dem Autor dieses Buches ein "gutes altes Compliment" aus: Asfa Wossen-Asserate habe keinen Leitfaden für den richtigen Auftritt auf gesellschaftlichem Parkett zusammengestellt, sondern eher das darunter liegende Fundament begutachtet. Denn das Verhältnis "der Deutschen zu den Manieren", weiß Jauch, "ist historisch und philosophisch prekär", deshalb sei ein "Versuch einer deutschen Sittengeschichte unter den erschwerten Bedingungen der Moderne" sehr zu begrüßen. Wie, frage Asserate, wie können wir heutzutage, in den "Zeiten der Egalisierung", noch ein "empfindsam entscheidendes Selbst" sein? Dabei, so Jauch, gerät der in Deutschland lebende und mit den hiesigen Manieren gut vertraute Äthiopier mit der klassischen Bildung geradezu zwangsläufig auf "das Minenfeld der konservativen Kulturkritik", nur um dann ebendort zu "lustwandeln" und viel mehr als eine Anleitung, nämlich eine "Klugheitslehre" zu formulieren. Fazit: "Hier spricht kein Manierenpapst und auch kein Sittenrichter, sondern (wenn auch mit einem Stich ins Selbstgefällige) der alltagsdienliche Gebrauchsphilosoph."

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.11.2003

Susanne Mayer fragt noch: Was geht hier vor? Wenn sich alle auf ein Werk über gute Manieren stürzen, ist das Fortschritt oder nur Lifestyle? Und sie antwortet: Das Buch sei "eine formvollendete Geste, die aufs charmanteste überspielt, worauf sie hinweist: dass die deutsche Gesellschaft ein solches Buch bitter nötig hat". Denn die elegante "Plauderei" (im Kontrast zu: "Paukvorlage") sei im Kern "ein politisches Buch", ein Plädoyer nicht nur für gutes Benehmen im Kleinen, sondern vor allem für Großzügigkeit als "innere Haltung", wie sie im Stolz des aufrechten und bewussten Demokraten gespiegelt und wie sie leider verloren gegangen sei. Darauf weise Asfa-Wossen Asserate dezent hin - ein "Ethnologe mit dem klaren Blick, zugleich ein nachsichtiger Freund", der uns in den Spiegel unserer "Schlechtgelauntheit gegenüber der Gemeinschaft aller Bürger" blicken lasse. Und auch wenn Mayer nicht mit allem übereinstimmt, was der kluge Autor so erlesen-charmant formuliere, so bedankt sie sich doch bei ihm mit ausgesuchter Höflichkeit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.10.2003

Achtung, dies ist keines der typischen Benimm-Bücher, warnt Ijoma Mangold, auch wenn es aus Adelskreisen stammt. Sein Verfasser, Asfa-Wossen Asserate, ist ein Neffe des letzten äthiopischen Kaisers und lebt heute als Unternehmensberater in Frankfurt, informiert der Rezensent. Sein "Manieren"-Buch atmet für Mangold einen ganz freien Geist und liefert zugleich ein prächtiges Sittenbild der deutschen Gesellschaft. Zur Illustration liefert Mangold ein Beispiel: Wo üblicherweise im Benimm-Kanon vor Unpünktlichkeit gewarnt werde, kümmere sich Asserate nicht um den Unpünktklichen, sondern um die Wartenden, denen es obliege, den Unpünktlichen nicht bloßzustellen. Das ist wahrer Benimmadel! Am vergnüglichsten findet Mangold denn auch die Stellen im Buch, wo sich Asserate den Distinktionsversuchen der "schönen Welt" - wie er die Adelskreise von heute nennt - widmet. Wo das Bürgertum nachahmt, muss sich die "schöne Welt" absetzen, und so weiß Asserate, berichtet Mangold, dass es in Adelskreisen zur Zeit dazugehört, das en face-Schnauben bei starkem Schnupfen auszuhalten und nicht etwa den Kopf abzuwenden. Das alles wirkt ein wenig wie aus vergangenen Zeiten, gesteht Mangold ein; er verweist auf den Autor, der versichere, dass vieles davon, zumindest "als regulative Idee", in Adelskreisen heute noch lebendig sei.
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