Arnon Grünberg

Muttermale

Roman
Cover: Muttermale
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2016
ISBN 9783462049251
Gebunden, 448 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann und Rainer Kersten. Otto Kadoke arbeitet als Psychiater in einem Krisenzentrum. Dort versucht er, Menschen davon abzuhalten, sich das Leben zu nehmen. Als er eines Tages seine pflegebedürftige alte Mutter besucht, öffnet ihm die nepalesische Pflegekraft die Tür, nur in ein Handtuch gehüllt. Kadoke wird auf der Stelle von einem übermächtigen Verlangen nach Liebe überwältigt und verhält sich ganz untypisch unkorrekt. Die junge Frau kündigt auf der Stelle, und Kadoke muss sich vorerst selbst um seine Mutter kümmern. Kinderlos geschieden, zieht er wieder zu Hause ein, merkt aber bald, dass er der Situation nicht gewachsen ist. So überredet er Michette, eine junge Frau mit Selbstmordabsichten, zu einer "alternativen Therapie": der Pflege seiner Mutter.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.11.2016

Für leicht zu lesen, aber nicht leicht zu verdauen hält Jörg Magenau Arnon Grünbergs Roman über das Verhältnis eines Sohnes zu seiner sterbenden Mutter. Den autobiografischen Hintergrund erkennt Magenau leicht, auch die Neigung des Autors, Grenzen zu überschreiten und seinen Themen, hier Leben, Sterben und Tod, so nahe wie möglich zu kommen. Die Geschichte von Grünbergs Mutter, die den Holocaust überlebte, empfiehlt Magenau als Hintergrundlektüre für dieses Buch. Fulminant findet er, wie der Autor seine Figuren anordnet, sodass am Ende kaum noch zu erkennen ist, wer hier wen pflegt. Überraschend sind die Volten in der Geschichte, meint Magenau. Ein menschenfreundliches, unterhaltsames Buch auch über die Erscheinungs- und Verfallsformen der Liebe, findet er. Die Fähigkeit des Autors, das Schwere mit Witz und Leichtigkeit zu nehmen und nie zu belehren, scheint Magenau bemerkenswert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.10.2016

Arnon Grünbergs neuen Roman "Muttermale" sollte man am besten mit den ebenfalls gerade erschienenen Erinnerungen seiner kürzlich verstorbenen Mutter Hannelore Grünberg-Klein an den Holocaust lesen, empfiehlt Andreas Platthaus. Denn die biografisch geprägte Geschichte um einen Psychiater, der in der Suizidprävention arbeitet, stellt vor allem das Verhältnis zwischen der jüdischen, betagten und pflegebedürftigen Mutter und ihrem Sohn in den Mittelpunkt, fährt der Kritiker fort. Zugleich sieht er darin den Mangel des Romans: Sowohl die Mutter, deren Charakterprägung mehr ihren Erinnerungen als dem Roman zu entnehmen ist, als auch die anderen Figuren, etwa die an einer Borderline-Störung erkrankte Hilfskraft Michette erscheinen Platthaus wie "Abziehbilder" bestimmter sozialer und ethnischer Gruppen. Auch mit Grünbergs Unentschiedenheit zwischen Tragik und Komik ist der Rezensent in diesem ansonsten klug konstruierten Psychodrama über einen Abnabelungsprozess nicht zufrieden.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2016

Shirin Sojitrawalla findet in Arnon Grünbergs Roman allerhand. Ein Plädoyer für die offene Gesellschaft etwa, da der Autor das Normale in dieser Geschichte um einen Psychiater, der seine Mutter zu pflegen hat, ins Unendliche weitet. Oder Sexszenen, die peinlich und komisch und geil zugleich sind. Oder das Geheimnis der jüdischen Mutter, deren Schicksal Grünberg wahrhaftig und anteilnehmend schildert, wie die Rezensentin meint. Auch wenn der Roman der Rezensentin weniger plotgetrieben erscheint als frühere Texte des Autors und die Leserin nach dem nächsten Unglück, der nächsten Katastrophe geradezu hechelt, auch wenn Grünberg manchmal zu kitschig wird, um wahr zu sein, lesenswert findet Sojitrawalla das Buch dennoch.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2016

Zu Recherchezwecken für seine Romane setzt Arnon Grünberg auf das "Embedded-Prinzip", informiert Rezensent Ijoma Mangold. Für seinen neuen Roman "Muttermale" ließ sich der Autor etwa als Patient in eine Psychiatrie einweisen, fährt der Kritiker fort, der dem Buch nicht nur die lebensnahen Erfahrungen anmerkt, sondern auch staunt, wie Grünberg die Extrembedingungen herausarbeitet, um die "Wahrheit über den Menschen" herauszufinden. Die Erzählung um einen Psychiater, der in der Suizidprävention arbeitet und sich mit der Arbeit von seinem leeren Leben ablenkt, vermag aber noch mehr, versichert der Kritiker: Grünberg erzählt hier eindringlich die biografisch geprägte Geschichte eines intimen, nicht besonders gesund erscheinenden Mutter-Sohn-Verhältnisses, so Mangold, der dem Buch einige irrwitzige Passagen verdankt.