Alice Schmidt

Alice Schmidt: Tagebuch aus dem Jahr 1954

Cover: Alice Schmidt: Tagebuch aus dem Jahr 1954
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518802205
Gebunden, 334 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Susanne Fischer. Mit einem Vorwort von Jan Philipp Reemtsma. Vor fünfzig Jahren, im Sommer 1954, brachen Arno Schmidt und seine Frau Alice von ihrem Wohnort Kastel an der Saar zu einer Reise auf, die sie nach Ahlden an der Aller und nach Ostberlin führte. Auf Ferienreise und Verwandtenbesuch zugleich war Arno Schmidt in West- und Ostdeutschland unterwegs, an seiner Seite seine Ehefrau, die ihre Beobachtungen in ihrem Tagebuch festhielt. Diese Aufzeichnungen sind also das Realienbuch zu Arno Schmidts 1956 erschienenem Buch "Das steinerne Herz". Historischer Roman aus dem Jahre 1954. In ihm mietet sich der Büchernarr Walter Eggers im niedersächsischen Ahlden bei der Familie Thumann ein und reist anschließend mit Karl Thumann nach Ostberlin. Doch nicht nur die Erlebnisse in Bibliotheken, Archiven und in der Berliner Laubenkolonie, die später zu Schauplätzen des Romans werden sollten, gewinnen in diesen Aufzeichnungen Gestalt. Auch die Atmosphäre der Adenauer-Republik wird eingefangen - und die Situation des Schriftstellers in ihr: der oft schwierige Alltag des Autors und seiner Gefährtin in einer dörflichen Umgebung, ihre zähen Verhandlungen mit Verlagen und ihre unablässige Geldnot. Alice Schmidts Aufzeichnungen gewähren darüber hinaus in ihrem direkten Ton einen lebendigen Einblick in die "Selfmadeworld" des Ehepaars. Beigegeben sind dem Text Schwarzweißfotografien, die Arno und Alice Schmidt in Ahlden aufgenommen haben. Viele davon werden in diesem Band erstmals veröffentlicht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.11.2008

Erfreut zeigt sich Manfred Koch über Alice Schmidts Tagebuch von 1955, in dem die Frau des exzentrischen Schriftstellers Arno Schmidt das alltägliche Leben ihres Mannes nach dessen Vorgaben dokumentiert hat. Als tägliche Grunddaten des Werks nennt Koch u.a. Wetterlage, Posteingang, Lektüre, Dauer der Schreibarbeit, Mahlzeiten, Schachpartien, Badewannennutzung, Alkoholgenuss und Geschlechtsverkehr. Fast ein wenig erstaunt scheint er darüber, dass Schmidt mit den Aufzeichnungen im allgemeinen zufrieden war, erweist er sich doch sonst als wahres "Monster der Undankbarkeit". Statt sich über "Ekel Arno" aufzuregen, sucht Koch die "eigenartige symbiotische Produktivität dieses Tandems" zu verstehen, schließlich wäre Schmidt ohne seine Frau aufgeschmissen gewesen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.02.2005

"Wollte man es so genau wissen?" fragt Rezensent Jürgen Busche am Ende. Jein. Für Arno Schmidt-Fans ist dieses Tagebuch, das Schmidts Frau Alice auf Anraten oder Anweisung ihres Mannes geführt hat, sicher unverzichtbar. Wer "Das steinerne Herz" gelesen hat, für Busche der bedeutendste Roman der 50er Jahre und darüberhinaus, der wird im "Tagebuch aus dem Jahr 1954" fündig, verspricht Busche. Doch nicht nur Einfälle, auch Differenzen zwischen Leben und Literatur werden sichtbar; so konstatiert Busche, dass Schmidt seine kritische Haltung zur DDR literarisch gemäßigt haben muss, um nicht "an den Klischees der westdeutschen Politik mitzuschreiben". Über weite Stellen sei das Tagebuch jedoch stark persönlich gehalten, charakterisiert Busche die anempfohlene Schreibübung für Frau Schmidt, worin sie vom Tod ihrer Katzen und den misslichen Anforderungen des Alltags berichtet. Für Busche spiegelt sich in den Aufzeichnungen das Milieu der kleinen Leute wieder, das Alice und Arno Schmidt offensichtlich nicht hinter sich lassen konnten oder wollten; das mag an ihrer Situation im Dritten Reich gelegen haben, überlegt Busche, wo beide in der Fabrik arbeiteten und ihre Begegnung mit Literatur absolut privat und getrennt halten mussten. Ihrem Selbstbewusstsein als Lesende und Schreibende hat das laut Busche offensichtlich nicht geschadet.
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