Alice Schmidt: Tagebücher der Jahre 1948/49Suhrkamp Verlag, Berlin
2018
ISBN
9783518804209, Gebunden, 210Seiten, 32,00
EUR
KlappentextAb September 1948 soll Alice Schmidt das Schriftstellerleben ihres Mannes dokumentieren. Von nun an notiert sie in geschenkte Hefte mit selbst angerührter Tinte, woran Arno Schmidt arbeitet, was er liest und mit wem er korrespondiert. Schwarzmarkthandel, Hunger und Armut bestimmen zu dieser Zeit das Leben der Schmidts im Flüchtlingsquartier Mühlenhof in Cordingen, aber das Ehepaar genießt auch die vielen Spaziergänge in die Wälder, die später in Schmidts Werk eingehen, und die abendlichen Vorlesestunden. Eine Reise nach Hamburg zu Schmidts damaligem Verlag Rowohlt ist für Alice Schmidt eine ebenso willkommene Unterbrechung des mühsamen Alltags wie der Besuch von Rundfunkmitarbeitern, die den Autor zu seinem ersten Buch befragen.
Nach den Tagebüchern 1954 bis 1956, die jene Zeit anschaulich machen, in der sich Arno Schmidt mühsam als Autor im Nachkriegsdeutschland etabliert, verzeichnet dieses früheste Journal die Anfänge seiner Existenz als Schriftsteller. Für Schmidt sind diese Jahre geprägt von beruflicher Unsicherheit: Er wartet verzweifelt auf die Veröffentlichung seines Erstlings "Leviathan" und muss dazu noch hinnehmen, dass seine Lesedrama "Massenbach" von seinem Verlag abgelehnt wird.
Rezensionsnotiz zu
Die Tageszeitung, 09.04.2018
Alice Schmidts Tagebücher von 48/49 geben Jan Süselbeck Einblick in den schwierigen Anfang von Arno Schmidts Karriere. Als mit frappierendstes Dokument der Nachkriegs-Boheme erscheinen ihm die Texte in vielerlei Hinsicht. Dass Alice Schmidt sich vollkommen zurücknimmt und vor allem über die Sorgen ihres Mannes schreibt, findet der Rezensent schon aus feministischer Sicht bemerkenswert. Zudem frappiert ihn der latente Rassismus des Paars. Als Höhepunkt der Lektüre empfindet er die Beschreibung eines Besäufnisses mit Verleger Rowohlt. Arno Schmidts Biografie aber bleibt für ihn weiterhin ein Rätsel.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 29.03.2018
Ein in seiner atmosphärischen Schärfe einzigartiges Zeitdokument bekommt Rezensent Helmut Böttiger mit den Tagebüchern von Alice Schmidt. Die Details eines Besäufnisses mit Ernst Rowohlt sieht Böttiger in geradezu filmischer Manier vermittelt. Die symbiotische Beziehung zwischen Alice und Arno Schmidt wird dem Rezensenten deutlich als Übereinstimmung von Literatur und Leben. Die vielen Kürzel in den Texten und der pointierte, trockene Stil der Verfasserin machen Böttiger außerdem Freude.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2018
Rezensent Dietmar Dath erklärt sich die Textgebilde des Arno Schmidt mit dessen komplizierter Innenwelt. Wenn Schmidts treu assistierende Frau Alice nun in ihren Tagebüchern aus der Zeit der Schriftstellerwerdung ihres Mannes eine laut Rezensent "hohe Mitteilungsdichte" an den Tag legt, wundert das Dath nicht. Das System aus Siglen und Kürzeln, das Alice Schmidt verwendet (Zeichen für "Alkoholgenuss" oder "Schachspiel" etwa) hat für Dath ebensowenig etwas von Verdunkelung oder Entstellung wie das Werk Arno Schmidts. Für Dath handelt es sich sogar eher um eine Art Lehrbuch darüber, wie sich kognitiven Gefangenschaften entkommen lässt.