Alexander Honold, Oliver Simons

Kolonialismus als Kultur

Literatur, Medien, Wissenschaft in der deutschen Gründerzeit des Fremden
Cover: Kolonialismus als Kultur
A. Francke Verlag, Tübingen und Basel 2002
ISBN 9783772032110
Kartoniert, 291 Seiten, 39,00 EUR

Klappentext

Die Einschätzung, daß Deutschland nur über nachholende koloniale Erfahrungen verfügte, bedarf der Korrektur. Neben dem politisch-militärischen Kolonialismus ist auch das diskursive Feld seiner Vorbereitung, Nebenwirkungen und Resonanzen zu besichtigen. Dabei zeigen sich Wechselbeziehungen zwischen den kulturellen Gründungsaktivitäten des Deutschen Reiches und seinen kolonial-extravertierten Interessen. Berlin als 'Gründer-Zentrum' des nationalen Gedächtnisses bildete zugleich das Sprungbrett für Forschungsreisen und ethnographische Unternehmungen. Der Band rekonstruiert die Verflechtungen zwischen kolonialen, wissenschaftlichen und kulturellen Diskursen in ihren konstituierenden Grundzügen. Als Archäologie einer "Gründerzeit" leistet der Band damit einen Beitrag zur Erhellung der kulturellen Nachwirkungen und Folgen des deutschen Kolonialismus in Wissenschaft, Literatur und Medien.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.05.2003

Um auf die "fundamentale Bedeutung" des Kolonialismus "für die Genese der europäischen Moderne" hinzuweisen, verweist Felix Axster auf die These des Theoretikers Robert Young, dass womöglich das gesamte "produzierte Wissen" im Europa der vergangenen Jahrhunderte "als Spielart des kolonialen Diskurses zu dechiffrieren sei". Gerade in Deutschland wurde dieser Vermutung abgetan mit dem Verweis auf die gerade mal dreißigjährige Episode des deutschen Kolonialismus. Alexander Honold und Oliver Simon widmen sich in ihrem Band "Kolonialismus als Kultur" dem Aufspüren verschütt gegangener "kolonialer Spuren" in Deutschland und entdecken auch dort Hinweise, wo "Kolonialismus auf den ersten Blick nicht vermutet wird", so Axster. An Beispielen wie dem "Tropenkoller" oder der Erzählung Kafkas "In der Strafkolonie" werde gezeigt, dass diese Spuren nicht als "Marginalien" abgetan werden dürfen, sondern eher einen akademischen Diskurs "in größerem Maßstab" erfordern, resümiert der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.11.2002

Der gesamte Kanon der Moderne, mit dem wir gern das Eigene der Kultur abstecken, ist von fremden Elementen durchsetzt, die dessen vielfältige Verflechtungen mit anderem bezeugt. So bringt Rezensent Tobias Döring die zentrale These des von Alexander Honold und Oliver Simons herausgegebenen Sammelbandes über "Kolonialismus als Kultur" auf den Punkt. Der Band trägt nach Einschätzung von Döring zur Diskussion "reiches Anschauungsmaterial" und "kluge Argumente" bei. In zwölf Beiträgen erkundet er Döring zufolge exotische Maskenspiele bei Döblin, Kolonialdiskurse bei Kafka, Sammeln und Erzählen bei Frobenius, Landschaftsschilderungen aus "Deutsch Süd-West", Südseeträume aus Samoa, Tropenkoller in der Medizin, Kolonialpolitik in der wilhelminischen Vergnügungskultur, deutsche Dichter und Ingenieure am Suez-Kanal, Barbarentum und Kampfrhetorik in der Kulturkritik, Voraussetzung und Folgen von Wilhelms Laozi-Version und "manches mehr". Am spannendsten findet Döring jedoch das Kapitel über die kaiserliche Orientreise von 1898, deren Besichtigungsprogramm Alexander Honold als sinnfällige Darstellung der Mythen deutscher Auserwähltheit lese.
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