Alaa al-Aswani

Chicago

Roman
Cover: Chicago
Lenos Verlag, Basel 2008
ISBN 9783857873881
Gebunden, 465 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. Histologie, die Lehre vom Gewebe, sei, so heißt es einmal in Chicago, dem neuen Roman von Alaa al-Aswani, grundlegend für das Erkennen aller Krankheiten und damit die Möglichkeit ihrer Behandlung. Was läge also näher, als einen Roman, der alle möglichen interkulturellen Verhaltensmuster zeigt, "gesunde" und "kranke", an einem Institut für Histologie anzusiedeln? Alaa al-Aswani nimmt dasjenige an der Universität von Chicago, wo er selbst den Dr. med.dent. erworben hat. Es ist ein buntes Volk, das sich dort trifft: Männer und Frauen, Amerikaner und Ägypter, Studierende und Dozierende. Sie lieben Ägypten und verabscheuen die USA oder umgekehrt, und sie bewältigen unterschiedlich gut den Umgang mit dem Fremden. Doch der Schatten des ägyptischen Staates folgt ihnen in Form des Geheimdienstapparats. Alle ahnten es schon immer. Gewissheit erhalten sie angesichts eines hohen Besuchs vom Nil.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.2008

Vor allem mit Blick auf seinen Vorgänger "Der Jakubijan-Bau" erscheint dieser neue Roman Alaa al-Aswanis der Rezensentin Sabine Berking eher mau. Was der Autor im Handlungsraum des Histologischen Instituts von Chicago und mit reichlich Personal an Gesellschaftskritik zustandebringt, taugt ihrer Meinung nach allenfalls als "politische Kolportage". Die von Berking kritisierte lose Ordnung in allerhand Einzelszenen sowie die "holzschnittartigen" Charaktere scheinen nicht eben spannungsfördernd, die von ihr ebenfalls konstatierte "doppelte ideologische Speerspitze" einer Kritik Richtung Mubarak sowie Richtung Amerika ("aus der Klassenkampf-Retorte") überzeugen die Rezensentin nicht. Bleibt Berking noch anzumerken, dass Rassismus heute allgemein subtiler funktioniert, als in diesem Buch geschildert, und sich Sexualität als "Seismograph" gesellschaftlicher Verwerfungen möglicherweise weniger "durchsichtig" einsetzen ließe.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.03.2008

Auf einen solchen arabischen Autor hat Rezensent Stefan Weidner lange gewartet, einen arabischen Bestsellerautor nämlich, der auch Okzident-kompatibel ist, der hohen literarischen Ansprüchen genügt und dessen Bücher trotzdem unterhaltsam sind. All diese Qualitäten nämlich vereinigt der vorliegende Roman des Kairoer Zahnarztes Weidners Ansicht nach auf das Vorzüglichste, und ist dabei auch noch spannend und von hintergründigem Witz, Trauer und Wut auf die Verhältnisse geprägt. Der Roman spielt zum großen Teil, wie Weidner schreibt, im ägyptischen Studentenmilieu des Histologischen Instituts der Universität von Illinois. Dort schreibt der Vorsitzende eines ägyptischen Studentenverbandes Spitzelberichte. Damit beschreibe Alaa al-Aswani einen bedrückenden Mikrokosmos, der aus Sicht des Rezensenten so viel mit der ägyptischen Wirklichkeit zu tun hat, dass er staunt, wie dieser Roman überhaupt erscheinen konnte. Haben die Zensoren geschlafen? Zumal der Roman Weidner zufolge kaum ein Tabu auslässt: von der Liebe eines Ägypters zu einer jüdischen Studentin, über Abtreibung, bis hin zum Sex mit dem Vibrator. Auch al-Aswanis "schonungslose Abrechnung mit dem Islam" ringt dem Rezensenten einige Bewunderung ab. Er bedauert nur, dass es sich der Autor bei der Bloßlegung westlicher Schwächen mitunter etwas einfach macht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.03.2008

Eingehend beschäftigt sich Angela Schader mit dem zweiten auf Deutsch erschienenen Roman Alaa al-Aswanis, und sie stellt zunächst einmal trocken fest, dass es angesichts der darin unbesorgten Verletzung von religiösen, politischen und sexuellen Tabus so arg um die ägyptische Zensur nicht bestellt sein kann, die das ägyptische Original unbehelligt hat erscheinen lassen. Der Roman spielt, anders als al-Aswanis Erstling "Jakubijan-Bau", in den USA innerhalb einer Gruppe von ägyptischen Stipendiaten, emigrierten Akademikern und ägyptischen Geheimdienst-Spitzeln. Angesichts der doch recht "blass bleibenden" Zeichnung der amerikanischen Gegenwart geht die Rezensentin davon aus, dass sich das Buch vor allem an ein mit den Verhältnissen in den USA nicht sehr vertrautes ägyptisches Publikum richtet, insbesondere die Schilderung eines Paares gemischter Hautfarbe findet Schader schlicht unglaubwürdig. Angriffsziel des Buches bleibe Ägypten, konstatiert Schader, die trotz zum Teil sehr gelungener Figurenzeichnungen immer wieder die Gefahr der Kolportage drohen sieht und von den literarischen Qualitäten des Romans nicht gänzlich überzeugt ist. Zu konstruiert seien die parallel erzählten Geschichten einzelner Figuren und zudem fehle mitunter der nötige gedankliche Tiefgang, moniert die Rezensentin, die dann aber rasch zurückrudert.
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