Manuel Vilas

Die Reise nach Ordesa

Roman
Cover: Die Reise nach Ordesa
Berlin Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783827014023
Gebunden, 416 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Astrid Roth. "Wir sollten über unsere Familien schreiben, ohne jede Beschönigung, ohne dabei zu erfinden. Wir sollten nur von dem erzählen, was passiert ist, oder von dem wir glauben, dass es passiert sei." Aus dieser Überzeugung heraus schrieb Manuel Vilas ein Buch über sich, seine Mutter, seine Kinder, vor allem aber über seinen Vater, den stets soignierten Handlungsreisenden, der vom sozialen Aufstieg träumte - und von Ferien in Ordesa ... In einer Sprache, die Realismus mit visionären Bildern verbindet, entsteht ein Lebensbild der letzten fünf Jahrzehnte Spaniens.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.12.2020

Rezensentin Karin Janker fühlt mit dem spanischen Autor Manuel Vilas mit, der in diesem Memoir von seiner Kindheit und davon erzählt, dass er seine Eltern, vor allem den Vater, nie wirklich kannte. Wie Vilas diese "Leerstelle" und Dysfunktionalität seiner Familie umkreise, laut Janker weniger analytisch als beispielsweise Didier Eribon, sondern "zärtlich", aber nie sentimental, scheint der Rezensentin zu gefallen. Auch Vilas' "ozeanhaft bewegte" und von Astrid Roth gelungen übersetzte Sprache lobt sie. Für die Rezensentin ein Roman über das Schweigen, das sich hier sowohl auf ein Klassenbewusstsein - das Pflegen von Familientradition als Luxus - als auch auf Spaniens Totschweigen der eigenen Geschichte beziehen lasse und das vom Erzähler teilweise kindlich verklärt werde, meint Janker: Ob die Liebe der Eltern für ihren Sohn, die nie ausgesprochen wurde, am Ende Wahrheit oder Fiktion ist, bleibt für die Rezensentin offen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.08.2020

Rezensentin Katharina Döbler wundert sich nicht über den Erfolg von Manuel Vilas' Roman in seiner Heimat Spanien. Lebendig, markig, voller Sarkasmus und "bitterer Poesie" erzähle Vilas darin vom Glück seiner Kindheit, dem Aufwachsen in einer ärmlichen aber zufriedenen Familie und dem Sehnsuchtsort von damals: ein Tal in den Pyrenäen, wo er und seine Eltern früher ihre Ferien verbrachten. Seine Erinnerungen gleicht er mit der Gegenwart ab und kommt zu dem einfachen Schluss, früher sei alles besser gewesen - "schöner, lebendiger, authentischer", so die Rezensentin. Heute existieren die Orte aus der Kindheit nicht mehr, die Heimat befindet sich wirtschaftlich und politisch in einer andauernden Krise, und der Protagonist selbst hat weder Liebe noch Erfolg erfahren. Döbler vermutete, dass viele Spanier in Vilas' Erzählungen ihre eigenen Erfahrungen, ihre Wut und ihre Melancholie wiederentdecken. Annie Ernaux oder Christian Baron haben auf ähnliche Weise über eine ähnliche Kindheit geschrieben, doch wo bei ihnen noch eine Art Loslösung vom Elternhaus, der Geschichte und der Heimat stattfindet, bleibt Vilas voll und ganz der Vergangenheit verhaftet, erkennt die Rezensentin. Ob ihr dieser emanzipatorische Moment fehlt, erfahren wir nicht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.08.2020

Der hier rezensierende Schriftsteller Martin Mosebach empfiehlt den ersten Roman des spanischen Lyrikers Manuel Vilas. Beeindruckend scheint ihm Vilas' sprachliche Kunst, die "Wasserklarheit" und eine Rhythmik vereint, die Mosebach wie Tanz, wie Musik erscheint. Dem Leser rät Mosebach, die Familiengeschichte um einen kleinen Handelsvertreter am Ende der Ära Franco, um wachsenden Wohlstand, Rituale und Tod, nicht so sehr als Vilas' eigene Geschichte zu lesen oder nach Historischem oder Politischem zu suchen, sondern sich auf das poetische Moment einzulassen, auf das Spiel der Wiederholungen und Variationen in den kurzen Kapiteln.