Thomas Kunst

Zandschower Klinken

Roman
Cover: Zandschower Klinken
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783518429921
Gebunden, 254 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Bengt Claasen sitzt im Auto, sein ganzes Hab und Gut im Kofferraum. Vor sich, auf dem Armaturenbrett, liegt das Halsband seiner verstorbenen Hündin. Dort, wo es herunterfällt, will er anhalten und ein neues Leben beginnen. Er fährt so langsam und vorsichtig, wie es nur geht, und landet schließlich in Zandschow - einem Nest im äußersten Norden mit einem Feuerlöschteich im Zentrum. Schnell stellt er fest: Die Bewohner des Orts rund um "Getränke-Wolf" folgen einem strengen Wochenplan, donnerstags werden zum Beispiel zwanzig Plastikschwäne auf dem Teich ausgesetzt, und sie feiern an ihrer "Lagune" Festspiele unter künstlichen Palmen. Überhaupt: Mit den prekären Verhältnissen mitten in der Pampa finden sich die Menschen hier nicht mehr ab. Ihr Zandschow ist Sansibar, hier kann man arm sein, aber trotzdem paradiesisch leben, in viel Verrücktheit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.10.2021

Rezensent Jörg Magenau wird schnell langweilig mit Thomas Kunsts kunstvollem Roman über eine Provinzutopie am nördlichen Ende der A7. Was erst reinzieht - die Rhythmik der Redundanz, das Gefangensein der Figuren in Wiederholung und Variation und die Umkehr der Logik, ermüdet den Rezensenten schließlich, weil es bald ausgestellt wirkt, wie Magenau schreibt, Fantasie, Witz, Dada und cuts 'n' scratches hin oder her. Auch die "Wiederkehr des nie ganz Gleichen" macht mürbe, findet Magenau.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.09.2021

Rezensent Oliver Jungen lässt sich gern von Thomas Kunst zu einem "Tanz auf der Grenze des Lesbaren" bitten. Denn zwischen Plastikpalmen und Badeschwänen hat der Kritiker eine Menge Spaß mit einer Handvoll abgehängter "Zandschow Panzas", die bei Getränke Wolf eine utopische "DDR-Gegenkultur" feiern. Vor allem aber ist es Kunsts "evolvierendes, lyrisch-litaneihaftes" Erzählen zwischen "Groteske und Elegie", das den Kritiker ganz in den Bann zieht und ihn Vergleiche zu Sarah Kirsch, Stephan Remmler und Andreas Okopenko ziehen lässt. Mitunter mag das Rätselhafte, Wirre des Textes dem Leser einiges abverlangen, räumt Jungen ein. Die Schlagkraft des Witzes, die Atmosphäre und die vielen spielerischen, "absurden" Assoziationen entlohnen aber allemal, schließt der begeisterte Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.03.2021

Rezensent Roman Lach entdeckt die ganze Welt der Avantgarde in einem Getränkemarkt im ostdeutschen Zandschow mit dem neuem Roman von Thomas Kunst. Am Bierregal sinniert Kunst über Sklavenhandel, Piraterie und Revolution, trifft auf allerhand "Sonderlinge", darunter den Auslandsleiter des DDR-Geheimdienstes oder die Märchenfigur Reh und baut aus den Einzelteilen eine große Geschichte über "familiäre Enge und weite Welt", Abenteuer und Aufbruch, so Lach. Das kann nur der Autor Kunst, das Erzählmaterial so durcheinanderwirbeln, dass es immer weiter zu einem großen "Kosmos" freier Elemente heranwächst, jubelt der Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.2021

Rezensentin Cornelia Geißler erkennt in Thomas Kunsts Roman über ein paar Angehängte vorm Getränkemarkt von Zandschow einerseits weniger als einen Nachwenderoman, denn mit dem Realismus hat es der Autor nicht so, andererseits aber überrascht sie der Text gerade mit einer Fülle an genauen Beobachtungen, die der Autor allerdings fast poetisch überformt. DDR-Geschichte taucht hier in Form von Hinweisen auf Asbest, Zorro oder Wolf Biermann kurz auf, meint Geißler. Die Stars der Story sind für sie die nordostdeutsche Provinz und Kunsts beschwörende, fantasiereiche Sprache.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 19.02.2021

Rezensent Frank Meyer entdeckt in Thomas Kunsts etwas anderer Romankunst Anleihen bei Ringelnatz, Robert Walser und Andreas Okopenko. Originell findet er Kunsts Ansatz, einen Roman ohne echte Figuren, Handlung oder Chronologie zu erschaffen, dafür mit Dada-Splittern, Assoziationen, Einfällen und einer rhythmisch pulsierenden Sprache, die Meyer eher an Prosadichtung denken lässt. Für Meyer eine echte Alternative zur herkömmlichen realistischen Prosapraxis.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.02.2021

"In jeder Hinsicht radikal" - mit diesen Worten könnte man Rezensent Carsten Ottes Urteil über Thomas Kunsts "Zandschower Klinken" zusammenfassen. Kunst überfordert bewusst, lesen wir. Was wie ein recht konventioneller Aussteigerroman beginnt, so der Rezensent, steigt nämlich nach einigen Seiten schon aus allen literarischen Konventionen aus. Ein ulkiger Typ namens Bengt Claas lässt sich auf der Suche nach einem neuen Leben in dem winzigen Örtchen Zandschow nieder, das sich bald als poetisch anarchistische Utopie herausstellt. Die Zandschower haben sich von der kapitalistischen Zivilisation distanziert, sie nennen ihren Teich einen Ozean, erfinden absurde Traditionen, sie wissen zu feiern und zu träumen, und was sie sich erträumen, wird Realität. Es ist eine "wilde" Geschichte, die der Autor laut Otte mit aller angemessenen Wildheit erzählt: Verschiedene Erzählperspektiven und Textsorten wechseln einander ab, Zeitsprünge finden statt, und die zahlreichen kulturellen und historischen Bezüge werden auf eine Weise verarbeitet und verschränkt, dass einem beim Versuch sie zu entschlüsseln der Kopf brummt.

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