Arno Geiger

Alles über Sally

Roman
Cover: Alles über Sally
Carl Hanser Verlag, München 2010
ISBN 9783446234840
Gebunden, 363 Seiten, 21,50 EUR

Klappentext

Alfred und Sally sind schon reichlich lange verheiratet. Das Leben geht seinen Gang, allzu ruhig, wenn man Sally fragt. Als Einbrecher ihr Vorstadthaus in Wien heimsuchen, ist plötzlich nicht nur die häusliche Ordnung dahin: In einem Anfall von trotzigem Lebenshunger beginnt Sally ein Verhältnis mit Alfreds bestem Freund. Und Alfred stellt sich endlich die entscheidende Frage: Was weiß ich von dieser Frau, nach dreißig gemeinsamen Jahren? Arno Geiger, der international gefeierte Buchpreisträger aus Österreich, erzählt mit souveräner Realistik und komischer Härte die Geschichte einer großen Liebe. Ein umwerfender Roman über den Ehebruch im Zeitalter der sexuellen Freimaurerei.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.02.2010

Mit gemischten Gefühlen hat Eberhard Falcke dieses Buch beiseite gelegt. Zwar gefallen ihm der schlüssige Grundriss dieses Eheromans, in dem er vielversprechende Ansätze und Ideen ausmachen konnte. Auch das ausgebreitete Feingewebe der Gefühle lässt den Kritiker nicht kalt, der Grundsätzlich an diesem Autor den humanen, menschenfreundlichen Blick schätzt. Doch so recht gelingt es Arno Geigers Versuch, einmal die ehelichen Bindungskräfte konkret auszubuchstabieren, nicht, aus Krampfadern-Kontroversen und Ähnliches genug ästhetisches Potenzial zu destillieren. Im Wesentlichen liegt das für Falcke an der Sprachlichkeit des Romans, seinen stilistischen Schwankungen, einer Sprache, deren Geist aus Sicht des Kritikers Poesie zu Putzigkeit schrumpfen lässt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.02.2010

Als höchst gekonntes Buch über die Zumutungen des Zusammenlebens feiert Dirk Knipphals Arno Geigers neuen Roman, dem er nicht nur "leise Eleganz" bescheinigt, sondern auch große Souveränität im Anspielen klassischer Ehebrecherinnenromane von "Anna Karenina" bis hin zu Updikes "Rabbit"-Büchern. Geigers "flexible Erzählerstimme" beeindruckt den Kritiker ebenfalls sehr. Denn die verkrampfe sich weder noch analysiere sie kalt, sondern meistere Beschreibungen wie das Reiben seiner Heldin am Beckenknochen des Geliebten während des Sexes durch geschickte Streuung von Details. Und dann hat der Roman auch noch zwei Effekte zu bieten: nämlich sowohl einen "Ulysses"- wie einen "Sopranos"-Effekt, dessen "leises Ausfedern der emotionalen Bögen" den Kritiker schließlich völlig aus dem Häuschen bringt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.02.2010

Hin und weg ist Meike Fessmann von Arno Geigers Roman "Alles über Sally". Er zeichnet laut Rezensentin in großartiger "Beiläufigkeit" das Porträt einer in die Jahre gekommenen Ehe, lässt am absehbaren Ehebruch der Frau teilhaben und das Ganze schließlich in ein glückliches Ende bewährter Zweisamkeit münden, wie wir erfahren. Dabei wechsele der Roman virtuos vom ruhigen Lauf des gemeinsamen Alltags, wo Geiger in präzisen Beobachtungen "kleiner Animositäten" eines alternden Paares brilliert, zu dramatischen und überraschenden Wendungen, wie die Rezensentin schwärmt. Dass Geiger aus dem Genre des Ehebruchromans, das seit "Anna Karenina" und "Effi Briest" seine Brisanz eingebüßt hat, solche Funken zu schlagen vermag, bewundert Fessmann nachdrücklich. Der Autor beweist meisterhafte Dramaturgie, überzeugende "Einfühlung" in seine Protagonisten und beeindruckende "sexuelle Direktheit", preist die Rezensentin, die am Ende bei allen Verwerfungen das Bild einer "glücklichen Ehe" mitnimmt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.02.2010

Man meint, Andreas Breitenstein eine gewisse Erleichterung zu entnehmen, wenn er feststellt, dass die neuere österreichische Literatur sich vom Bernhard'schen "Selbstzerfleischungskomplex" abgewendet hat und sich stattdessen in "Anti-Denunziation und Anti-Hysterie" übt. So hat ihn Arno Geigers Roman auch wegen der so plastischen und präzisen Auslotung einer nicht mehr jungen Ehe fasziniert. Dabei findet er Geigers Thema durchaus ambitioniert, und er folgt gefesselt insbesondere der Emanzipationsgeschichte der 52-jährigen Sally, die sich nach einer Affäre am Ende wieder in ihrer Beständigkeit bietenden Ehe einfindet. Der Rezensent muss allerdings zugeben, dass die Figur des Ehemanns etwas farblos bleibt und sich ihm auch das Geheimnis dieser Liebe, die in Rückblicken beschworen wird, nicht recht erschließt. Außerdem ist für seinen Geschmack etwas viel und etwas "krud" über Sex zu lesen (und Breitenstein kann sich auch nicht vorstellen, dass Sex Anfang fünfzig noch so eine exponierte Rolle spielt). Und dennoch überzeugt den Rezensenten an diesem Roman das "genuine Staunen über die intimen Sensationen des Alltags", und für ihn trägt diese Haltung den Roman auch über seine Schwächen hinweg.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.02.2010

Besonders außergewöhnlich findet Judith von Sternburg die Protagonistin Sally aus Arno Geigers neuem Roman "Alles über Sally" nicht. Die Titelfigur führt ein ganz normales Leben und eine ganz normale Ehe mit ihrem Mann Alfred, als "modernes Akademiker-Paar" mit nicht besonders glücklicher, aber stabiler Ehe, beschreibt sie die Rezensentin. Aber gerade in dieser Banalität liegt für Sternburg die Originalität, mit der der österreichische Schriftsteller das Porträt Sallys zeichnet, indem er niemals psychologisiere, sondern lediglich das erzähle, was die Protagonistin tangiert. So schafft es Geiger, die Rezensentin am Ende des Romans - nach einem Einbruch und einer Affäre Sallys -  voller Staunen darüber zurückzulassen, dass die Ehe nicht nach dem Vorbild der großen Eheromane (Madame Bovary, Anna Karenina, Effi Briest) tragisch endet. Angetan ist Sternburg außerdem von der Erzählkunst des Autors, die "Kabinettstücke österreichischer Lebensart" und Joyce'sche Bewusstseinsströme vereine.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.02.2010

Felicitas von Lovenbergs Einwände ("Kleinigkeiten") gegen Arno Geigers neuen Roman sind wahrlich nicht der Rede wert angesichts ihrer Begeisterung für das Buch. Ein Plädoyer für die Dauer, wie sie es versteht, eröffnet ihr der Text die Geschichte einer Ehe und das Porträt einer Frau, die sich selbst treu bleibt und trotz Seitensprung ihre 30 Jahre währende Ehe dennoch nicht ganz drangibt. Sieht Lovenberg in Sally auch keine Madame Bovary, Alfred, ihr Mann, erscheint ihr mitunter als ebenso tragische Figur wie Charles Bovary. Bewundernswert findet Lovenberg den Grad der Empathie, das staunende, dabei urteilsfreie Interesse, mit dem Geiger sein Personal liebevoll begleitet, sowie seine unaufdringlichen Schilderungen dessen, was so ein Paar im Alltag zusammenhält. Und das, meint Lovenberg, ist ganz schön komplex.
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