Carola Dietze

Nachgeholtes Leben

Helmuth Plessner 1892-1985
Cover: Nachgeholtes Leben
Wallstein Verlag, Göttingen 2006
ISBN 9783835300781
Gebunden, 622 Seiten, 45,00 EUR

Klappentext

Helmuth Plessner ist einer der interessantesten deutschen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. In der Weimarer Republik wies der Mitbegründer der philosophischen Anthropologie radikale Ideologien zurück. Als "Halbjude" 1933 von der Universität Köln entlassen, emigrierte er in die Niederlande und lehrte an der Universität Groningen, bis er 1943 von der deutschen Besatzungsmacht erneut relegiert wurde. Die letzten Kriegsjahre überlebte er im Untergrund. Nach dem Krieg erhielt er seine Groninger Professur zurück und nahm 1951 einen Ruf nach Göttingen an.
Plessner wirkte entscheidend am Wiederaufbau der Philosophie an den deutschen Universitäten nach 1945 mit und gehört zu den Gründungsvätern der bundesdeutschen Soziologie. Bekannt wurde er vor allem mit seiner im Exil entstandenen Deutschlandstudie "Die verspätete Nation".
Carola Dietze legt die erste Biographie Helmuth Plessners vor, die auf Archivquellen basiert. Sie führt in Plessners Philosophie ein und analysiert, welchen Einfluß die Erfahrung der Emigration auf sein Denken hatte. Exemplarisch werden der Verlauf eines Wissenschaftsexils in den Niederlanden, die Gründe für eine Rückkehr nach Deutschland und die Situation eines Remigranten in der Bundesrepublik der fünfziger Jahre untersucht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2007

Auf keinen Fall dürfe man sich von dem akademischen Auftritt dieses fußnotenbewährten Werks abschrecken lassen, meint Hans-Martin Lohmann. Denn dass diese Studie gründlich recherchiert sein, bedeute nicht, dass sie nicht auch lesbar und spannend sei. Sehr anschaulich schildert Carola Dietze darin das Leben des gelehrten Helmuth Plessner, der als Sohn eines jüdischen Vaters von Nazis aus der Universität vertrieben wurde, in die Niederlande emigrierte und nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte. Welch "unerfreuliches" Klima hier in den fünfziger Jahre herrschte, als sich ein Remigrant wie Plessner noch rechtfertigen musste, während alle die Mitläufer und Jasager bequem auf ihren Lehrstühlen saßen, das hat der Rezensent sehr bedrückend von Dietze vor Augen geführt bekommen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.11.2006

Ohne Abstriche lobt Gangolf Hübinger Carola Dietzes "historische Biografie" über den Gelehrten Helmuth Plessner. War Plessner ein Grenzgänger zwischen Philosophie und Soziologie, so gelinge es Dietze in ihrer Dissertation nun, Kulturwissenschaft und Biografik fruchtbar zu verbinden. Dass sich die Autorin mehr für das soziale Umfeld Plessners und weniger für eine Neubewertung von dessen Schriften interessiert, kann der Rezensent nur gutheißen. Als "Musterbeispiel universitärer Feldforschung" preist er das Kapitel über die Rückkehr Plessners ins Nachkriegsdeutschland und das verbliebene akademische Milieu. Das Fazit "schlüssig", die Studie insgesamt "quellengründlich" und souverän geschrieben: Hübinger kann einzig und allein den "trübbraunen" Schutzumschlag der inhaltlich so attraktiven Studie monieren.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de