Jürgen Habermas

Zur Verfassung Europas

Ein Essay
Cover: Zur Verfassung Europas
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783518062142
Kartoniert, 140 Seiten, 14,00 EUR

Klappentext

Die anhaltende Euro-Krise sowie die halbherzigen, oft populistischen Reaktionen der Politik lassen ein Scheitern des europäischen Projekts derzeit als reale Möglichkeit erscheinen. In seinem Essay verteidigt Jürgen Habermas Europa gegen die sich ausbreitende Skepsis, der er ein neues überzeugendes Narrativ für die Geschichte und vor allem die Zukunft der Europäischen Union entgegensetzt. Denkblockaden in Bezug auf die Transnationalisierung der Demokratie räumt er aus dem Weg, indem er den Einigungsprozess in den langfristigen Zusammenhang der Verrechtlichung und Zivilisierung staatlicher Gewalt einordnet. An die Politik richtet Jürgen Habermas schließlich den Appell, das bisher hinter verschlossenen Türen betriebene europäische Projekt endlich auf den hemdsärmeligen Modus eines lärmend argumentierenden Meinungskampfes in der breiten Öffentlichkeit umzupolen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2011

Demokratische Selbstbestimmung der Bürger, so lautet das ferne Ziel der umfangreichen Interventionen zum Thema Europa, die Jürgen Habermas in seinem neuen Buch anstellt, wie Stefan Müller-Doohm uns mitteilt. Die lebenslange Beschäftigung des Autors mit Europa und seiner Verfassung beleuchtet der Rezensent für uns noch einmal kursorisch, um dann auf das den Themenkomplex bilanzierende Buch und den in seinem Zentrum, zwischen einer Dokumentation verschiedener publizistischer Vor- und Beiträge, stehenden politik- und rechtswissenschaftlichen Essay zu kommen. In insgesamt vier vom Rezensenten aufgeführten Punkten (z.B. Erweiterung, Gleichgewicht der Mächte) nähert sich Habermas seine Idee von Europa. Den Kern seiner Auseinandersetzung aber erkennt Müller-Doohm in der Kritik an mangelnder regulativer Gestaltung und an den Restriktionen staatlicher Politik.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.11.2011

Angesichts der Europakrise brandaktuell findet Micha Brumlik Jürgen Habermas' Essay "Zur Verfassung Europas", das nicht nur polemisch mit dem grassierenden "Exekutivföderalismus" ins Gericht geht, sondern zugleich die Utopie eines "Weltparlaments" entwirft, in der die EU lediglich eine Zwischenstation ist. Allerdings gibt es für den Rezensenten eine tiefe Kluft zwischen der Idee und der Realität, die auch Habermas' Rückgriff auf Kants "Weltbürgerrecht" und die von jüngeren Staatstheoretikern vertretene Vorstellung von möglichen Verfassungen ohne Staat nicht überbrückt werden kann. Überhaupt stellt es in den Augen Brumliks eine entscheidende Schwachstelle in Habermas Darlegungen dar, dass er seine Ideen so völlig losgelöst von der Realität der EU-Bürger entwickelt, die somit gänzlich abstrakt bleiben. Zuletzt fragt der Rezensent noch, ob die europäische Idee nicht auch ziemlich "überfrachtet" wird, wenn man sie lediglich als Vorstufe zu einer Weltgemeinschaft betrachtet, die sich global auf die Menschenrechte und den Frieden verständigen soll.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.11.2011

Uwe Justus Wenzel findet den utopischen Vorstoß, den Jürgen Habermas in seinem Essay zum Befinden der Europäischen Union macht, offensichtlich erfrischend, insbesondere in einer Zeit, in der sich die Politik vor allem um "Schadensbegrenzung" müht. Der Philosoph kritisiert darin nämlich nicht nur "scharfsinnig" die "intergouvernementale Aushöhlung" der Demokratie, stellt der Rezensent fest. Habermas imaginiert auch ein mögliches "transnationales demokratisches Gemeinwesen", in dem das verfassungsgebende Subjekt sowohl als Staatsbürger als auch als europäischer Bürger agiert, so Wenzel. Auch die "delikate" dialektische Argumentation des Autors, dass zwar die Nationalstaaten unabdingbar für die Europäische Union seien, allerdings die Staatsbürger als Unionsbürger sich von den "Organisationskernen der Mitgliedsstaaten" abzulösen im Begriff seien, trifft beim Rezensenten auf Interesse. Wenzel sieht Habermas Betrachtung Europas als exemplarisch für eine utopische "Weltbürgergemeinschaft" an, was er offensichtlich überaus anregend findet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.11.2011

Als "Buch der Stunde" feiert Alexander Cammanns Jürgen Habermas' hier versammelten jüngsten Interventionen zum Thema Europa, die auch zu den aktuellsten Debatten einige nützliche Stichwörter zu bieten scheinen. Eines davon ist die Formel "postdemokratischer Exekutivföderalismus", eine von Habermas seit längerem benannte Tendenz der europäischen Institutionen, die sich jetzt in der Bewältigung der akuten Krisen Bahn bricht. Dagegen setzt Habermas den Zustand der "transnationalen Demokratie", den es erst zu erreichen gilt. Bewundernd konstatiert Cammann, dass Habermas hier keineswegs nur an Europa, sondern gleich an die ganze Welt denkt. Auch Kritikpunkte hat Cammenn: Der Vordenker des "Strukturwandels der Öffentlichkeit" hat zum Internet offenbar nichts zu sagen, und auch der Euro spiele in seine Erwägungen kaum eine Rolle. Trotzdem: Cammann liest dieses Buch als das Vermächtnis einer Generation.