Ahmet Hamdi Tanpinar

Das Uhrenstellinstitut

Roman
Cover: Das Uhrenstellinstitut
Carl Hanser Verlag, München 2008
ISBN 9783446230620
Gebunden, 426 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Türkischen von Gerhard Meier. Nachwort von Mark Kirchner.
Das Selbstporträt eines türkischen Mannes ohne Eigenschaften: Hayri Irdal ist bereits als Kind von Uhren fasziniert. Durch die Begegnung mit dem Lebenskünstler Halit wird er plötzlich zu einem einflussreichen Menschen. Gemeinsam gründen sie das Uhrenstellinstitut, einen gigantischen und doch ganz und gar überflüssigen Verwaltungsapparat, der für die korrekte Einstellung sämtlicher Uhren im Land zu sorgen hat.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.10.2008

Als eine der "abgefahrensten Grotesken der Weltliteratur" feiert Rezensent Stefan Weidner diesen Roman, der für ihn in den fünfzig Jahren, seit er geschrieben wurde, geradezu nachgereift ist. Im Autor dieses "türkischen 'Mann ohne Eigenschaften'" zeigt er außerdem einen zu entdeckenden Klassiker der türkischen Moderne an. Das Buch zeichnet sich für ihn durch einen fast "gnadenlos zynischen Blick" auf die Gesellschaft der Türkei nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Verfall all ihrer Werte aus. Das titelgebende Uhrenstellinstitut symbolisiert für den Rezensenten in dieser "Großparabel" von Roman eine aus dem Nichts geborene Idee ohne Sinn, sozusagen ein "Substrat moderner Ideologien" und blindem Modernismuswahn. Auch der Protagonist Halit Ayarci, ständig fassungsloser und überforderter Leiter und Erfinder des Instituts, hat es dem Rezensenten angetan.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2008

Dem Autor Ahmed Hamdi Tanpinar spricht Rezensent Wolfgang Schneider einen singulären Rang in der türkischen Literatur des 20. Jahrhunderts zu. Betreffend Melancholie und Ästhetizismus und das Thema "Zeit", meint Schneider, reicht Tanpinar so schnell keiner das Wasser. Den vorliegenden Roman liest Schneider als humoristische Allegorie auf die kemalistische Bürokratie und, allgemeiner gefasst, das Diktat der Modernisierung. Den von Tanpinar in die Arena geschickten Ich-Erzähler erkennt Schneider als Zauderer, der sich in das aberwitzige Projekt eines Uhrenstellinstituts verwickeln lässt. Die Handlung erscheint dem Rezensenten allerdings zweitrangig verglichen mit der Zeichnung der Figuren. Detailliert, mit den Mitteln der Komödie gehe der Autor zu Werke. Schneider begegnen Männer in diesem Buch als Lebenskünstler und Scharlatane und Frauen, versehen mit "hohem Schreckschrauben-Faktor". Feministische Humorerwartungen, warnt der Rezensent, werden eher nicht bedient.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.10.2008

Thomas Steinfeld stellt gleich zwei Bücher des 1909 geborenen und 1962 gestorbenen türkischen Schriftstellers Ahmet Hamdi Tanpinar vor, den Orhan Pamuk als "innigsten Beschreiber" Istanbuls bewundert, wie der Rezensent wissen lässt. Den Roman "Das Uhrenstellinstitut" preist Steinfeld als hinreißende Satire auf die gerade gegründete türkische Republik, die allerdings "durch die Schule des Romans gegangen" ist, wie er eingenommen feststellt. Das frisch installierte "Uhrenstellinstitut" soll mit einem gewaltigen bürokratischen Apparat dafür sorgen, dass alle Uhren des Landes gleich gehen; die Geschichte seiner Entstehung und seines Niedergangs erzählt der dort seinen Lebensunterhalt verdienende Haryi Irdal in seiner Autobiografie, fasst der Rezensent zusammen. Dass es Tanpinar bei aller allegorischen Bedeutung, die er seinem Roman einschreibt, gelingt, seine Figuren mit Leben zu erfüllen, nimmt den ohnehin begeisterten Rezensenten noch stärker für das Buch ein.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.10.2008

Anja Hirsch hat mit Freude den Roman "Das Uhrenstellinstitut" des verstorbenen türkischen Schriftstellers Ahmet Hamdi Tanpinar gelesen. Trotz des streckenweise etwas langsamen Erzähltempos, so berichtet sie, kann sie viel damit anfangen. Im Roman wird die Geschichte des "Uhrenstellinstituts" durch die Augen des unscheinbaren Jungen Hayri Irdal erzählt. In einer Zeit des Umbruchs - der Wandel zwischen spätosmanischem Reich und türkischer Republik, die Tanpinar zutiefst prägte - ist der Junge Chronist gesellschaftlicher Stimmungen. Das Institut wird zusammen mit der Türkischen Republik errichtet, um die Menschen von der Wichtigkeit der genauen Zeit zu überzeugen und Strafen für falsch gehende Uhren einzutreiben, erklärt Hirsch und lobt: Eine "irrwitzige Parabel", mit der Tanpinar die Gesellschaft aufs Korn nimmt und die Politik mit "hintergründiger Satire" kritisiert, wobei Tanpinar durchweg mit großer Leidenschaft für Land und Leute schreibt, wie die Rezensentin betont. Das Buch verrate uns infolgedessen viel über den Autor selbst, der zu Lebzeiten als unpolitischer, konservativer Ästhetiker verkannt wurde, so Hirsch.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.09.2008

Rezensentin Monika Carbe hat in Ahmet Hamdi Tanpinar (1901-1962) einen Schriftsteller entdeckt, der die Zeit des Wandels vom Osmanischen Reich zur türkischen Republik erlebt und in seinen Romanen zum zentralen Thema gemacht hat. Jetzt sind zwei seiner Romane auf Deutsch erschienen, die die Rezensentin uns wärmstens ans Herz legt, auch wenn sie betont, dass die Leser bei der Lektüre einen "langen Atem" brauchen. Der Roman "Das Uhrenstellinstitut" ist neben der Geschichte um den glücklosen Hayri Irdal, der allzu unselbständig und abhängig vom Rat der Älteren ist, vor allem eine deftige Persiflage auf die Entstehung des Staatsapparats der modernen Türkei und seiner Bürokratie, erklärt die Rezensentin. Irdal lässt die Leser teilhaben an seinem schwierigen Eheleben, seinen psychischen Problemen und seiner Psychoanalyse, verrät Carbe, die diesen satirisch vom gesellschaftlichen Umbruch erzählenden Roman bei aller epischen Breite augenscheinlich sehr unterhaltsam fand.

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