Im Rahmen des "tazlab" über das "Gute Leben" am Samstag in Berlin wird Pascal Bruckner über den "Fanatismus der Apokalypse" sprechen - so der Titel seines letzten, bisher nur in Frankreich erschienenen Buchs. Einige der Themen des Buch schneidet er auch in seinem Essay "Wege aus dem Schlamassel" an, der zuerst auf deutsch im Perlentaucher erschien.

Bruckner wird am Samstag mit Isolde Charim über seine Thesen diskutieren. Moderiert wird dieses Perlentaucher-Podium im tazlab von Perlentaucher Thierry Chervel.

Ort und Zeit:

Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin

Am Samstag den 14, April um 16 Uhr, Raum K3.

Hier das Programm des "tazlab".

Bruckner übt in seinem Buch eine zuweilen scharfe Kritik an radikaleren Spielarten des ökologischen Diskurses. Hier ein kleiner Auszug:

Seit einem halben Jahrhundert schauen wir einer Prozession der Sündenböcke zu: Der Marxismus hatte noch den Kapitalismus als Verantwortlichen des menschlichen Elends ausgemacht. Enttäuscht von der feist gewordenen Arbeiterklasse setzten die Kämpfer für die Dritte Welt den Westen an seine Stelle, den großen Verbrecher der Geschichte, Erfinder der Sklaverei, des Kolonialismus, des Imperialismus. Die kurzlebige Bewegung der Globalisierungskritiker kombinierte die beiden. Mit der Ökologie gehen wir noch eine Stufe weiter: Schuld ist nun der Mensch selbst, in seinem Willen den Planeten zu beherrschen, ihn zu stutzen, um sich einer heideggerschen Sprache zu bedienen.

Rückkehr zu den Grundsätzen des Christentums also: Das eigentliche Übel ist der Stolz der gegen ihren Schöpfer aufgelehnten Kreatur, welche die ihr gesetzten Grenzen übertritt. Die drei Sündenböcke ergänzen sich nunmehr: Die Ökologie bekämpft den Kapitalismus. Dieser wurde erfunden von einem Westen, der die Völker beraubt und die Erde zerstört. Es ist ein System russischer Puppen, die ineinandergesteckt der großen Synthese entgegen schreiten. Darum sind soviele ehemals Rote heute grün gewendet: So erweitern sie die Palette der Vorwürfe. Wie Schmutzwasser recyclet man antikapitalistische Klischees: Die Ökologie legt noch eine Schicht Empörung mehr auf, sie betrachtet sich als die Vollendung aller vorherigen Kritiken. So greift auch ein Teil der südamerikanischen Linken nach diesem Schlachtross um ihr Credo zu verstärken:

"Es gibt nur zwei Lösungen: Entweder stirbt der Kapitalismus oder Mutter Erde", sagt etwa Evo Morales, der bolivianische Präsident, im Jahr 2009. Der Globus wird zum neuen Proletarier, der vor der Ausbeutung zu retten ist, zur Not indem man die menschliche Spezies auf 500 Millionen Exemplare reduziert, wie es schon Kapitän Cousteau vorschlug und wie es auch einige Antispeziesisten verfechten, die sich der Unterdrückung tierischer Arten durch den Menschen widersetzen. Das Menschengeschlecht, diese schädliche und wuchernde Art, ließe sich ohne Probleme eliminieren:

"Das komplette Verschwinden des Menschengeschlechts wäre keineswegs eine moralische Katastrophe, sondern eher ein Ereignis, dem der Rest der Lebensgemeinschaft mit beiden Händen applaudieren würde." (Paul W. Taylor)

Diesen Satz muss man auskosten: Stellen Sie sich vor, wie Wale, Bäume und Karotten mit beiden Händen der Ausrottung der Menschheit applaudieren! Bis in seine Metaphern bleibt Paul W. Taylor ein hoffnungsloser Anthropozentrist. Das Voluntary Human Extinction Movement, eine Vereinigung von Individuen, die entschlossen sind, sich nicht fortzupflanzen, ist von der gleichen Absicht getrieben:

"Jedes Mal, wenn einer von uns sich entschließt, nicht noch einen weiteren dieser Art zur bereits enormen Masse hinzuzufügen, die diesen ausgelaugten Planeten belagert, leuchtet ein Hoffnungsschimmer in der Finsternis. Sobald alle menschlichen Wesen entschieden haben, sich nicht zu reproduzieren, wird die erdliche Biosphäre ihren alten Glanz zurückzugewinnen."

"Ich liebe meine Kinder viel zu sehr, um ihnen das Leben zu schenken"; sagte schon der französische Historiker Hippolyte Taine im 19. Jahrhundert. Selbst der Biogeograf Jared Diamond, Autor einer meisterhaften Studie über das Verschwinden der Gesellschaften, hängt einem seltsamen Traum nach:

"Nur eingeforen, ohne zu essen, zu atmen und zu verdauen, wären die meisten der sechs Milliarden Bewohner dieses Planeten, kein Problem mehr."

Künstliches Koma als als Lösung der Probleme der Erde. Was ist Ökologie? Ein Immobilienkrieg in einem überfüllten Gebäude. Die Erde ist zu klein, und wir sind zu viele. Schmeißt sie raus! Laut dem Chemiker und Erfinder der Gaia-Hypothese James Lovelock ist die Erde ein belebter Organismus aus einer Vielfalt von Zellen in labilem Gleichgewicht. In diesem Konglomerat spielen die Menschen die Rolle der Krebszellen und Metastasen, die auf Kosten der Gesamtheit wuchern. Diese wird sie als unnütze Pfröpflinge abstoßen. Kurz, der Homo Sapiens ist nur ein Homo Demens. Nicht umsonst hat der französische Grünen-Politiker Yves Cochet im Jahr 2009 den Streik des Bauchs gefordert und vorgeschlagen, Paare zu sanktionieren die ein drittes Kind in die Welt setzen. Denn ein Kind erzeugt soviel Umweltverschmutzung wie 620 Flugreisen von Paris nach New York und zurück.


Pascal Bruckner

Aus dem Französischen von Thierry Chervel