Redaktionsblog - Im Ententeich

Rettet den Journalismus, nicht die Presse

Von Anja Seeliger
26.02.2009.
Der Journalist und Hochschullehrer Daniel Sinker ist nicht beeindruckt von den Vorschlägen zur Rettung des Journalismus, die er auf einer Konferenz in Chicago zu hören bekam. Vor allem, weil es dabei nicht um die Zukunft des Journalismus, sondern um die Zukunft des verlegerischen Establishments ging, schreibt er in der Huffington Post. Dieses Establishment will sich mit einem an iTunes angelehnten Modell für Zeitungsartikel retten. Sinker findet das zum Lachen: Denn wer hasst iTunes? Die großen Musiklabels! "iTunes bedroht die etablierte Ordnung: Es beweist, dass die Labels nicht so mächtig sind, wie sie behaupten. Noch bedrohlicher ist, dass es den Weg in eine Zukunft markiert, in der die großen Plattenfirmen immer unwichtiger werden. Deshalb erscheint es ziemlich albern, wenn die großen Zeitungen auf iTunes blicken: Sie steuern sehenden Auges in ihr Verderben."

Vielleicht. Aber im Augenblick ist die deutsche Presse vor allem wild entschlossen, die Fehler der Musikindustrie noch zu toppen:

- Eine Ausgabe der FAZ kostet am Kiosk 1,90 Euro. Ein einziger Artikel aus dem Bezahlarchiv kostet 2 Euro. Für diesen Preis darf man den Beitrag "24 Stunden nutzen".




- Eine Ausgabe der SZ kostet am Kiosk 1,80 Euro. Ein einziger Artikel aus dem Bezahlarchiv kostet 1,50 Euro. "Nach der Bezahlung haben Sie 24 Stunden Zugriff auf den Artikel".




- Eine Ausgabe der FR kostet am Kiosk 1,50 Euro. Ein Artikel aus dem Bezahlarchiv muss über Genios gekauft werden. Er kostet 2,38 Euro. Sie würden selbst das zahlen? Sorry, Genios akzeptiert keine Einkäufe unter 7,14 Euro




- Auf der Internetseite der Zeit habe ich eine halbe Stunde lang versucht herauszufinden, wie man überhaupt an Artikel aus der Printausgabe kommt, die nicht frei online stehen. Vergeblich.

Nicht mal die Musikindustrie hat versucht, einzelne Musikstücke teurer zu verkaufen als die ganze CD. Das ist kein Geschäftsmodell, das ist Irrsinn.

Update
: eine Zusammenfassung der Konferenz in Chicago mit vielen weiterführenden Links und Ideen findet man im Blog von Kiyoshi Martinez.