Hat sich Ilija Trojanow gestern in der taz zum Sprachrohr der sudanesischen Regierung gemacht und ihre Version über die Geschehnisse in Darfur verbreitet?

Der Autor des "Weltensammler" und Mekka-Pilger brachte gestern gute Nachrichten aus dem Sudan: Der Völkermord in Darfur ist gar keiner, und es sind auch viel weniger Menschen gestorben als angenommen, jedenfalls nicht 300.000, wie die UNO sagt - wieviel es nun genau sind, weiß er aber auch nicht und versucht es auch nicht herauszufinden.

Trojanow macht sich in seinem taz-Artikel über Clooney, Jolie und "Geldoof" lustig, denen er vorwirft, dass sie auf dem Rücken der Opfer ihr Selbstbild pflegen. Und er spricht im Namen einer höheren Wahrheit, denn er hat sich nach Khartum begeben und hat dort auf einem Dach einige Gewährsleute getroffen, die das Bild vom Völkermord in Darfur in Frage stellen.

Unter anderem spricht er mit einem nicht namhaft gemachten Mitarbeiter des Amel Centers, einer Menschenrechtsorganisation, die sich um Opfer des Konflikts kümmert: Diesen Mann stellt Trojanow als besonders glaubwürdig vor, weil George Clooney dem Center in einer Gottschalk-Show Geld gespendet hatte. Der Mann sagt, dass "die Kämpfe keineswegs zwischen Schwarzen und Arabern stattfinden, sondern zwischen Menschen, die noch Land haben, und solchen, die aufgrund des Ausbreitens der Wüste weiter im Norden kein Land mehr haben. Dafür besitzen sie Waffen. Manche von ihnen sind schwarz, andere weniger schwarz, manche sind Muslime, manche nicht. Es ist nichts anderes als ein brutaler Überlebenskampf. Die meisten von uns würden sich genauso verhalten, wenn sie keine andere Möglichkeit hätten zu überleben." Warum die einen Waffen haben und die anderen nicht, erklärt Trojanow nicht, und er scheint auch nicht zu bemerken, dass sich mit dem letzten Satz seines Zitats zur Not auch der Kampf der Nazis für ihr "Volk ohne Raum" rechtfertigen ließe.

Eine kleine Netzrecherche über das Amel-Center bringt nicht allzuviele Informationen, aber doch immerhin eine, die auch Trojanow und die Redakteure der taz auf Seite 1 der Google-Ergebnisse hätten finden können: ein Interview mit dem sudanesischen Menschenrechtsaktivisten Salih Mahmoud Osman, der sich mit der Organisation Sudan Organization Against Torture (SOAT) gegen die Menschenrechtsverstöße in Darfur einsetzte. Er macht der SOAT, aber auch dem Amel-Center auf der Website des United States Holocaust Memorial Museum inzwischen schwere Vorwürfe: "Fast alle unsere Kollegen, die dort gearbeitet haben, sind nicht mehr Mitglied in diesen Organisationen, weil wir gesehen haben, dass es Schwierigkeiten gibt und es scheint, dass diese Organisationen - vor allem SOAT - von der Regierung kontrolliert werden." Salih Mahmoud Osmans Äußerungen in dem Interview sind nicht ganz klar, er spricht weiter unten auch wieder positiv vom Amel Center - nur zeigt sich in dem Interview, dass man nicht auf einem Dach in Khartum sitzen muss um zu begreifen, dass die Regierung des Sudans offensichtlich eine aktive Propaganda betreibt, die Trojanow mit keinem Wort erwähnt.

Sein Artikel lässt sich ohnehin nicht als journalistische Arbeit ansehen. Er bringt keine Belege, nennt keine Quellen, verzichtet auf Gegenrecherche. Er will manipulieren und tut damit genau das, was er Clooney, Jolie und Geldof vorwirft. Aber die taz präsentiert ihn auf der Meinungsseite und gibt ihm damit Gewicht. Sie streut den Verdacht, dass man's irgendwie auch ganz anders sehen kann, Weltbildpflege für eine Klientel, die sich ihr Gut-Böse-Schema nicht durchkreuzen lassen will.

Ob die Ereignisse in Darfur einen Völkermord darstellen oder nicht, ist umstritten. George W. Bush und der Kongress der Vereinigten Staaten haben diesen Begriff bewusst gebraucht - aber sie sind in Trojanows Artikel ja die eigentlich Bösen. Die Vereinten Nationen vermeiden den Begriff - aber sie leugnen doch nicht die Ereignisse! Luis Moreno-Ocampo, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, hat letztes Jahr erstmals gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt, den sudanesischen Staatschef Umar Hasan Ahmad al-Baschir, Haftbefehl wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beantragt. Human Rights Watch hat in ausführlichen Berichten auf die Verantwortung Khartums hingewiesen. Ganz allein scheinen Clooney, Jolie und Geldof nicht zu sein.

Solche Artikel wie der Trojanows über Darfur erschienen zur Zeit der "Killing Fields" auch über Kambodscha. Einige Jahre zuvor brauchten die Mao-besoffenen 68er einen Simon Leys, um sie auf den Boden der Tatsachen über die Kulturrevolution zurückzuholen. Nach außen geschmuggelte Berichte über den Holocaust interessierten seinerzeit so gut wie niemanden. Leugnung ist stets integraler Bestandteil von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nicht nur die Leugnung durch die Täter oder ihre Sympathisanten. Auch die der Öffentlichkeiten und Zeitzeugen - aus Verdrängung, Indifferenz oder Komplizenschaft.

Thierry Chervel