Außer Atem: Das Berlinale Blog

Schlöndorff statt Deneuve

Von Thekla Dannenberg
18.02.2002. Bei der Verleihung der Bären dominierte das große Chaos. Das Publikum amüsierte sich wie Bolle. Und wir sind verblüfft: Zumindest der eine Goldene Bär geht an einen Animationsfilm: Hayao Miyazakis "Spirited Away", der andere an "Bloody Sunday" von Paul Greengrass.
Montag, 9.00 Uhr

Armer Dieter Kosslick! Glanz wollte der neue Berlinale-Direktor verbreiten, mondäne Stimmung, Professionalität. Doch kaum hatten die beiden Moderatoren der Preisverleihung, die Schauspieler Nina Petri und Hanns Zischler, ihm in ihrer Einleitungsrede bescheinigt, dass er seine "Premiere mit Bravour über die Bühne gebracht" habe, mussten ihnen ihre Worte im Halse steckenbleiben. Auf der Bühne brach das große Chaos aus. Der falsche Preis wurde zum falschen Zeitpunkt an nicht anwesende Schaupieler vergeben, und zwar von Jury-Mitglied Renata Litvinova, die ihre Vorlage erst vergessen hatte und später den englischen Text nicht vorlesen konnte.

Das Berliner Publikum amüsierte sich wie Bolle (war von wenigen Ausnahmen abgesehen übrigens auch so gekleidet) und lachte die meisten Peinlichkeiten weg. Nicht auszudenken, wenn im Saal ein Publikum gesessen hätte, dass höflich über sie hinweg gehüstelt hätte. Und Regisseur Otar Iosseliani (Bild) sollte später bei Entgegennahme seines Silbernen Bären erklären, dass ihm dieser Teil des Abends besonders gefallen habe: Das Chaos widerspreche erfreulicherweise seinem bisherigem Bild der durchorganiserten Deutschen.

Dann ging es fast fehlerfrei, aber so umständlich und holprig weiter, dass man vor seinem inneren Auge schon einen feixenden Moritz de Hadeln sah. Allerdings wird auch kolportiert, dass Kosslick wegen vertraglicher Bindungen seine eigenen Leute noch gar nicht an den Start hätte bringen können. Die beiden angeheuerten Moderatoren versahen Dienst nach Vorschrift, lasen ihren Text so emotionslos und nuschelnd vom Blatt ab, dass man kaum mitbekam, welcher Weltstar gerade die Bühne betrat. Als könnte man so etwas nicht üben. Zu jedem vergebenen Preis wurde dann die mit Abstand uninteressanteste Szene eingespielt. Und sehr zur Enttäuschung des Publikums nahm statt acht schöner Frauen Volker Schlöndorff den Silbernen Bären für "8 Femmes" entgegen.

Ab und an hatte die Veranstaltung aber ihre Glanzmomente - als etwa Filmkomponist Hans Zimmer zusammen mit Brian Adams seinen neuesten Filmtrack vortrug, als die Halle Berry einen Silbernen Bären entgegennahm (Bild), oder als eine wunderbare, souveräne Geraldine Chaplin (Bild) den Film "Der Große Diktator" ihres Vaters Charles Chaplin ankündigte. Und einmal war auch die gute Stimmung erkennbar, für deren Verbreitung Kosslick allenthalben gerühmt wird. Nachdem er selbst die Goldenen Bären für "Bloody Sunday" und "Spirited Away" überreicht hatte, versprach er: "Von jetzt ab keine Pannen mehr - "No more pan".


Hier die Bären auf einen Blick. Hier unser Abschlusskommentar. Und hier eine Liste aller im Perlentaucher besprochenen Berlinale-Filme.