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Aristokraten in Limpopo: Ntshavheni Wa Lurulis 'Elelwani' (Forum)

Von Thekla Dannenberg
10.02.2013. Es gibt viele bittere Wendungen, die das neue Südafrika genommen hat. Eine besteht darin, dass die Wiederbelebung der traditionellen afrikanischen Kulturen, die so lange Zeit verboten, verhöhnt oder ausgebeutet wurden, zu einer neuen Entrechtung der Frauen geführt hat. Nadine Gordimer beschreibt in ihrem Roman "Keine Zeit wie diese" sehr beeindruckend Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes mittel- und obdachlos dastehen, da ihnen nach traditionellem Zulu-Recht kein Anteil am Erbe zusteht; es geht voll und ganz an den Bruder des Verstorbenen über. Auch der Regisseur Ntshavheni wa Luruli erzählt in seinem Film "Elelwani" von der Zerrissenheit südafrikanischer Frauen, die sich im Namen der neuen Vielfalt in die alte Unfreiheit begeben (müssen). Der erste überhaupt in der Sprache der Venda, in Tshivenda, gedrehte Film basiert auf dem gleichnamigen Roman des Venda-Autors Titus Maumela von 1954 und kann sich vor allem zu Beginn nicht ganz von der Lehrbuchhaftigkeit der alten afrikanischen Volksliteratur frei machen. Aber er verbindet sie mit den magisch-malerischen Bildern Afrikas, mit denen die Johannesburger Filmfabrik den Zuschauer in den Bann zu schlagen versteht. Manchmal auch trotz heftigster Gegenwehr.


Es gibt viele bittere Wendungen, die das neue Südafrika genommen hat. Eine besteht darin, dass die Wiederbelebung der traditionellen afrikanischen Kulturen, die so lange Zeit verboten, verhöhnt oder ausgebeutet wurden, zu einer neuen Entrechtung der Frauen geführt hat. Nadine Gordimer beschreibt in ihrem Roman "Keine Zeit wie diese" sehr beeindruckend Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes mittel- und obdachlos dastehen, da ihnen nach traditionellem Zulu-Recht kein Anteil am Erbe zusteht; es geht voll und ganz an den Bruder des Verstorbenen über. Auch der Regisseur Ntshavheni wa Luruli erzählt in seinem Film "Elelwani" von der Zerrissenheit südafrikanischer Frauen, die sich im Namen der neuen Vielfalt in die alte Unfreiheit begeben (müssen). Der erste überhaupt in der Sprache der Venda, in Tshivenda, gedrehte Film basiert auf dem gleichnamigen Roman des Venda-Autors Titus Maumela von 1954 und kann sich vor allem zu Beginn nicht ganz von der Lehrbuchhaftigkeit der alten afrikanischen Volksliteratur frei machen. Aber er verbindet sie mit den magisch-malerischen Bildern Afrikas, mit denen die Johannesburger Filmfabrik den Zuschauer in den Bann zu schlagen versteht. Manchmal auch trotz heftigster Gegenwehr.

Die titelgebende Elelwani ist eine junge Kunststudentin, die zusammen mit ihrem Freund nach Hause fährt, um ihrer Venda-Familie in Südafrikas nordöstlicher Provinz Limpopo ihre Diplome zu zeigen und sich nach Chicago zu verabschieden, für dessen Universität sie ein Stipendium bekommen hat. Doch die Familie macht ihr einen gehörigen Strich durch die Rechnung: Die Feierlichkeiten und Freudentänze gelten nicht der ersten Studentin des Volkes der Venda, sondern den Abgesandten des Königs, der Elelwani das Studium finanziert hat und sie nun als Gegenleistung zu seiner dritten Frau haben will. Tage-, wochenlang weigert sich Elelwani und bringt damit ihre Eltern an den Rand der Verzweiflung und des Ruins, denn sie müssen die Abgesandten des König Tag für Tag mit all den Tieren durchfüttern, die ihren Besitz ausmachen, bis schließlich nur noch die heilige Ziege übrig ist. "Wer die Vorfahren ehrt, geht nicht hungrig zu Bett", wissen die Gesandten in ihrer Selbstgerechtigkeit.



Luruli beschönigt in seinem Film die Kultur der Venda nicht. Sie muss sich, das macht der Film sehr deutlich, modernisieren, bilden, demokratisieren. In ihrer einfachen Rundhütte verhandeln die Eltern abwechselnd mit den Abgesandten und mit ihrer Tochter, der Vater sitzt auf einem Schemel, Mutter und Tochter sitzen auf dem Boden und halten den Blick gehorsam gesenkt. Vor den königlichen Abgesandten kriecht die Mutter auf ihren Knien durch den Staub. Wenn Elelwani ihrer Mutter vorwirft: "Ihr habt mich billig verkauft", antwortet diese: "Geh zum Fluss, hol Wasser." Und doch kann man sich an diesen Szenen nicht sattsehen, geradezu hynotisierend sind die tropische Berglandschaft, die Gewänder der Frauen mit ihren geometrischen Mustern, die Perlenketten und überhaupt die farblichen Arrangements, die sich kein Modefotograf schöner hätte ausdenken können: Helles Rosa in schlammfarbener Hütte, dunkles Rot vor königlichem Leopardenfell.

Elelwani wird, um ihre kleine Schwester zu retten, in die Heirat einwilligen und den Kampf gegen die beiden anderen Frauen ihres neuen Mannes aufnehmen, gegen diese Lordsiegelbewahrerinnen der Tradition. Aber auch wenn sie durchschaut, dass diese oft genug dazu dient, persönliche Privilegien aufrechtzuerhalten oder Eifersucht und Missgunst zu kaschieren, wird sie ihre Rolle als aufgeklärte Herrscherin annehmen. Am Ende nehmen nach einer recht handlungsgetriebenen Volte die soap-artigen Elemente überhand, die sich anfangs nur sporadisch in dem Film fanden. Dann wird, was als afrikanisches Volksstück begann, ein Aristokraten-Melodram, mehr "Downton Abbey in Limpopo" als Nadine Gordimer. In deren Roman haben sich übrigens die Witwen zusammengetan, um vor dem Verfassungsgericht für ihr Erbrecht zu streiten.

Thekla Dannenberg

"Elelwani". Regie: Ntshavheni Wa Luruli. Mit Florence Masebe, Ashifashabba Muleya, Vusi Kunene. Südafrika 2012, 103 Minuten (Alle Vorführtermine)