Außer Atem: Das Berlinale Blog

Essen, Singen, Scheiden, Regen: Wang Quan'ans 'Eröffnungsfilm 'Tuan Yuan' (Wettbewerb)

Von Thomas Groh
11.02.2010.
Eine pikante Situation: 50 Jahre nach der Trennung von China und Taiwan, die zahllose Familien zerriss, kehrt der einstige Soldat Liu zu seiner Ex-Frau Yu-E aus dem taiwanesischen Exil zurück. Seine taiwanesische Frau ist vor kurzem gestorben, Yu-E wiederum ist mittlerweile Großmutter einer ansehnlichen chinesischen Familie. Was als Wiedersehen beginnt, scheint bald eine Zerreißprobe in Aussicht zu stellen: Liu ist entschlossen, Yu-E nach Taiwan mitzunehmen.

Dass Wang Quan'an die Geschichte seines Berlinale-Eröffnungsfilms "Tuan Yuan" nicht als Drama erzählt, sondern als mit lakonischem Humor durchzogene Alltagsgroteske, gehört zur größten Überraschung. Die für kurze Zeit als "Ehe zu dritt" laufende Konstellation funktioniert nicht als Melodram unvereinbarer, biografisch bedingter Ansprüche, sondern als hinnehmendes Sich-Einrichten, ohnedies ist Yu-E, ob beim Kochen, sich Artikulieren oder für zukünftigen Ehepartner Entscheiden, eher quasi-existenzialistische Beobachterin ihres Daseins. Ihr chinesischer Ehemann etwa ist mit fast schon verwirrendem Enthusiasmus dabei, seine Großfamilie der Auflösung zu überantworten.



Was Wang Quan'an fast schon beiläufig, in langen, selten (wenn, dann aber effizient) durch Schnitte unterbrochenen Einstellungen erzählt, ist nicht so sehr ein Clash, sondern ein Nebeneinander von Tradition und Modernisierung: Liu besucht die Familie gerade zu dem Zeitpunkt, da ein Umzug in ein modernes, allerdings noch nicht fertig gebautes Apartement in einem Plattenbau ansteht (eine der schönsten, emotional eindrücklichsten Szenen spielt in dieser Baustelle). Bei einer Touristenfahrt im Bus durch das moderne Schanghai recken sich die Köpfe der taiwanesischen Besucher, begleitet von einer rastlos vor sich hinplärrenden Führerin, bald zur einen, bald zur anderen Seite, um die technologischen Errungenschaften der Metropole für wenige Sekunden zu erhaschen: Es folgt ein Schnitt auf den überschnellen Gleitzug, aus dem heraus ein solch touristisch abtastendes Verhältnis zur Stadt schon gar nicht mehr möglich ist: Die Außenwelt wird zur Schliere, die Touristen schlafen. Über den Dächern des alten Schanghais erhebt sich an anderer Stelle eine Hochhaussiedlung als Ankündigung dessen, was kommen mag.



Viel findet in "Apart Together" deshalb im Innern der kleinen Wohnstätte statt, in einem Zimmer - was einem erst nach und nach auffällt -, das erst Schlafzimmer, dann Wohnzimmer, dann Esszimmer ist. Familienrituale rücken häufig ins Bild, und gerade dann ist "Apart Together" am stärksten: Wenn es um diese Momente des Zusammenseins geht und jegliche Ahnung von Plot zum Erliegen kommt. Allenthalben wird gegessen, noch mehr Essen zubereitet und mit viel Wehmut gesungen. Yu-Es Blick, meistens leer, füllt sich für einmal, wenn der Wein fließt und alte Lieder gesungen werden, mit Leben. Am Ende Regen - Abspann.

Wang Quan'an: "Tuan Yuan - Apart Together". Mit Lisa Lu, Ling Feng, Xu Caigen, Monica Mo, Ma Xiaoqing.
Volksrepublik China 2009, 93 Minuten
(Vorführtermine)