Außer Atem: Das Berlinale Blog

Aufforderung zu metaphyischer Bescheidenheit: So Sang-mins 'I'm in Trouble!'

Von Lukas Foerster
13.02.2010. Schon der englische Titel ist toll: "I'm in Trouble!". Eine simple, nachvollziehbare Feststellung, eine Feststellung, die durchs nachgesetzte Ausrufezeichen verstärkt, aber nicht qualitativ erweitert wird. "In Trouble" ist jeder manchmal, in Filmen geht es aber meist eher darum, wie man "in trouble" gerät und wie man demselben wieder entkommt. Trouble als Problem, das gelöst werden will. So Sang-mins Film geht es eben gerade nicht um Eskalation und Bewältigung, aus deren Perspektive Trouble immer nur Mittel zum Zweck und Antriebsmotor einer dramaturgischen Konstellation ist. Eine Konstellation, die selber ganz und gar nicht auf Trouble aus ist. Sondern auf das harmonische Ineinandergreifen von Plotpoints und story arcs. So Sang-min geht es ganz im Gegenteil um eine Phänomenologie des Trouble. Um einen sanft zerrütteten Zustand der Welt, der sich im sanft zerrütteten Zustand des Protagonisten spiegelt und umgekehrt. Um ein prekäres In-der-Welt-sein und gleichzeitig um eine Welt, die selber schon immer prekär ist - auch wenn das außer der Hauptfigur nicht viele mit bekommen. Das ist das Besondere an diesem Film: Er kennt keine Perspektive außerhalb des Troubles.

Schon der englische Titel ist toll: "I'm in Trouble!". Eine simple, nachvollziehbare Feststellung, eine Feststellung, die durchs nachgesetzte Ausrufezeichen verstärkt, aber nicht qualitativ erweitert wird. "In Trouble" ist jeder manchmal, in Filmen geht es aber meist eher darum, wie man "in trouble" gerät und wie man demselben wieder entkommt. Trouble als Problem, das gelöst werden will. So Sang-mins Film geht es eben gerade nicht um Eskalation und Bewältigung, aus deren Perspektive Trouble immer nur Mittel zum Zweck und Antriebsmotor einer dramaturgischen Konstellation ist. Eine Konstellation, die selber ganz und gar nicht auf Trouble aus ist. Sondern auf das harmonische Ineinandergreifen von Plotpoints und story arcs. So Sang-min geht es ganz im Gegenteil um eine Phänomenologie des Trouble. Um einen sanft zerrütteten Zustand der Welt, der sich im sanft zerrütteten Zustand des Protagonisten spiegelt und umgekehrt. Um ein prekäres In-der-Welt-sein und gleichzeitig um eine Welt, die selber schon immer prekär ist - auch wenn das außer der Hauptfigur nicht viele mit bekommen. Das ist das Besondere an diesem Film: Er kennt keine Perspektive außerhalb des Troubles.

Oft sieht "I'm in Trouble!" dabei ganz einfach aus. Simple digitale Schwarzweiß-Bilder, wenig Montage, kaum Großaufnahmen. Gleich mehrmals zeigt der Film eine Parkbank in der Totalen und auf ihr sitzend ein Mann und eine Frau, minutenlang ihre Beziehung verhandelnd. Sie kommen nicht allzu weit bei ihren Versuchen. Der Mann, Sun-Woo, schreibt Gedichte, die keiner lesen will, betrinkt sich bei jeder Gelegenheit und wird bald von Yuna, der Frau und seiner Freundin ver-, beziehungsweise auf der Parkbank sitzen gelassen. Den restlichen Film verbringt er mit Versuchen, Yuna zurück zu erobern. Mal stolpert er dabei nackt und volltrunken durch eine Sauna, mal reist er mit einem Freund auf der Suche nach Yuna in die Provinz, nur um mit einer Prostituierten im Hotelzimmer zu landen.

Sun-woo macht es dem Zuschauer nicht leicht. Arrogant und ständig betrunken redet er altklug daher, lügt außerdem wie gedruckt, zergeht bei jeder Gelegenheit in Selbstmitleid und schiebt die Schuld am eigenen Trouble immer auf andere. Solche Figuren kennt man aus dem koreanischen Kino nur zu gut und zwar aus den Filmen Hong Sang-soos. An diesem vielleicht interessantesten koreanischen Regisseur der Gegenwart erinnert Sos Debüt so eindeutig, dass man an diesem Verweis nicht vorbei kommt. Selbst einzelne Szenen und Motive verraten So Sang-min als vielleicht nicht einen Schüler, auch nicht als einen Epigonen, aber doch zumindest als einen brother in crime von Hong Sang-soo. Nicht nur wird dauernd getrunken, nicht nur ist Sex zwar ständig präsent, aber ohne jedes befreiende Potential. Ein Klassentreffen sieht außerdem fast exakt so aus wie in "Tale of Cinema" und endet dann auch auf ähnlich verheerende Art und Weise. Wie in Hongs Parisfilm "Night and Day" wird in wenig passendem Kontext ein Bibelzitat verlesen. Und die sehr effektiven kurzen Synthie-Schlagzeugeinlagen, die So ab und an in seinem Film platziert, wirken ebenfalls wie aus einem Hong Sang-soo Film entnommen.

Platt derivativ ist der Film trotzdem nicht. "I'm in Trouble!" reduziert all das, was bei Hong in dessen letzten Filmen auf großartige Weise fast schon barocke Formen angenommen hat, auf eine denkbar einfache Struktur: Zwei Haupt- und zwei Nebenfiguren, zwei ineinander verschränkte Liebesgeschichten, eine Sauforgie nach der anderen. Das funktioniert in seiner Selbstbeschränkung wunderbar, auch wenn die technische Brillianz des Vorbilds selbstverständlich nicht so einfach zu emulieren ist. "Like You Know It All" hieß der letzte und vielleicht allerschönste Film von Hong Sang-soo. Eine Aufforderung zur metaphyischen Bescheidenheit, die auch an Sun-woo gerichtet sein könnte. Es geht um eine Bewegung nicht aus dem Trouble hinaus, sondern mitten in ihn hinein. Wenn am Ende mit Sun-Woo etwas geschieht, was in anderen Filmen eine Erlösung vom Trouble = eine Versöhnung mit dem Selbst und mit der Welt zur Folge hätte, so passiert hier das genaue Gegenteil: alles wird noch verzwickter und verfahrener werden. Das weiß man, ohne dass der Film es zeigen müsste. Und ja, noch einmal: ein toller Film ist das.

So Sang-min: "Na-neun gon-kyeong-e cheo-haet-da! - I'm in Trouble!" Republik Korea 2009, 98 Minuten (Vorführtermine)