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Dokumente eines rassistischen Alltags: 'Through A Lens Darkly' von Thomas Allen Harris (Panorama)

Von Thekla Dannenberg
13.02.2014. Der Dokumentarfilm "Through A Lens Darkly" von Thomas Allen Harris erzählt die Geschichte der schwarzen Fotografen in den USA.


Thomas Allen Harris beherrscht die krassen Gegensätze. In einer einschlägigen Szene schneidet er den vor Kraft und Selbstbewusstsein strotzenden Basketballspieler Sonny Weems gegen das servile Reis-Werbegesicht von Uncle Ben. Da hat man ein für alle mal begriffen: Es kommt nicht nur darauf an, wer sich ein Bild macht, entscheidend ist auch, welches Bild man von sich selbst hat. In seiner Dokumentation "Through a Lens Darkly" rekonstruiert Harris die Geschichte der Schwarzen in der amerikanischen Fotografie, die in großen Teilen eine Fotografie der Weißen war, aber eben nicht nur. Von Beginn an gab es schwarze Fotografen, deren Arbeit und Technik durchaus mit der ihrer weißen Kollegen korrespondierte, nicht jedoch die Fotos. Noch im Jahr 1938 beklagt James Baldwin, dass Schwarze kaum Bilder von sich in der weißen Öffentlichkeit fänden, die nicht herabwürdigend wären.

Harris beginnt seine filmische Gegengeschichte mit den Daguerreotypien aus den 1840er Jahren, die der freie schwarze Fotograf und Abolitionist James Presley Ball in Cincinatti machte. Dessen schwarze Familien im Sonntagsstaat unterscheiden sich kaum von den ernsten Bildern ihrer weißen Counterparts, und das wohlgemerkt zu einer Zeit, als in den Südstaaten noch die Sklaverei herrschte. Der am häufigsten fotografierte Mann der USA im 19. Jahrhundert war sogar der aus der Sklaverei entkommene Frederick Douglass, ein Abolitionist, Politiker und Schriftsteller, der seine würdevollen Fotografien den vorherrschenden Bildern des faulen, dummen und rohen Schwarzen entgegensetzen wollte. Von großer Bedeutung für den ikonografischen Wandel sind auch die Bilder der fast zweihunderttausend schwarzen Soldaten, die im amerikanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Nordstaaten kämpften.



In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts setzt Harris wieder ganz auf Kontrast: Ungeheuer brutale Szenen von Lynchmorden aus dem amerikanischen Süden stehen den wunderbaren Fotografien von James Van der Zee gegenüber. Van der Zee war nicht nur der Chronist der Harlem Renaissance, sondern auch der große Regisseur in einem "Theater des Sehnsucht", wie Harris es nennt. In den Studios ließen sich schwarze Musiker und Künstler in extravagantesten Posen abbilden, oder Marcus Garvey in der Fantasieuniform seiner Universal African Legion.

Dann kam Gordon Parks und revolutionierte das Bild der Schwarzen in Amerika: Erst mit der Putzfrau Ella Watson auf dem Bild "American Gothic", dann mit seinen Bildern von Malcolm X und Muhammed Ali (von "Shaft" ganz zu schweigen).



Harris breitet in seiner Dokumentation ein grandioses Archiv von Bildern vor uns aus. Hin und wieder lässt er Fotohistoriker zu Wort kommen wie etwa Deborah Willis, auf deren Buch "Reflections in Black" der Film im Wesentlichen beruht. Aber ausgerechnet wenn er auf Gordon Parks zu sprechen kommt, tritt die Schwäche des eigentlich sehr aufregenden Films zutage. Nun fragt man sich, ob Harris nicht eine etwas oberflächliche Sicht auf die Fotografie hat. Gordon Parks' Bilder haben bittere, entsetzliche oder grandiose Geschichten erzählt, er hat nicht nur schwarze Ikonen wie Malcolm X und Muhammed Ali in Szene gesetzt, er hat ungeheuer zornige Dokumente eines rassistischen Alltags geschaffen. Bei Harris geht es wie in der Werbeindustrie immer nur um das "Image", das verbessert werden muss. Aber eigentlich ist die Fotografie immer auch das Gegenteil vom Image-Making.

Thekla Dannenberg

Through A Lens Darkly: Black Photographers and the Emergence of a People. Regie: Thomas Allen Harris. Darsteller: Carrie Mae Weems, Lorna Simpson, Hank Willis Thomas, Lyle Ashton Harris, Glenn Ligon. USA 2014, 92 Minuten (Panorama, alle Vorführtermine)