Außer Atem: Das Berlinale Blog

Hat alles richtig gemacht: Max Linz' 'Ich will mich nicht künstlich aufregen' (Forum)

Von Anja Seeliger
11.02.2014. Nie sah Systemkritik besser aus als in Max Linz' "Ich will mich nicht künstlich aufregen".


Im April 2012 hatte der 1984 geborene Filmregisseur Max Linz im Perlentaucher einen Text veröffentlicht, der sich mit dem Erbe des Oberhausener Manifests und der aktuellen deutschen Filmpolitik auseinandersetzt. Von den Forderungen des Manifests ist nichts mehr übriggeblieben: "Heute kann sich jeder Alt- und Neo-Nazi in Ruhe durch die öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme schalten. Kein Fassbinder, kein Wildenhahn, keine feministischen Filmemacherinnen mehr, die ihm in schöner Regelmäßigkeit die Stimmung verderben." Das wichtigste Mittel auf dem Weg dorthin war die Allianz von Staat und Markt, die dem Künstler öffentliche Fördermittel anbietet, vorausgesetzt, seine Filme setzen sich à la longue auch auf dem Markt durch.

In seinem erste Langfilm, "Ich will mich nicht künstlich aufregen", derzeit im Forum zu sehen, exerziert Linz seine These - buchstäblich - in einer Spielfilmhandlung durch. Die junge Kuratorin Asta Andersen möchte eine Ausstellung auf die Beine stellen, die den Zusammenhang von Kino, Kunst und Politik untersucht. Dazu braucht sie erstens Künstler, die sie zum Beispiel in Neukölln findet, und zweitens Geld. Nach einem Interview, in dem sie die Produktionsbedingungen von Künstlern und Kuratoren scharf kritisierte, wird ihr das schon versprochene Fördergeld wieder entzogen.

Das Schöne an dem Film ist, dass Linz keine verarmten doityourself-Künstler vor schäbiger Neuköllner Döner-Kulisse filmt. Seine Asta, gespielt von Sarah Rolfs, sieht aus wie Gwyneth Paltrow. Das soll keine Beleidigung sein, sondern nur ihren Typus - sehr groß, sehr schlank und langbeinig, glänzendes Haar, teure minimalistische Kleider - umschreiben, der die Aura der Tochter aus gutem Haus verströmt. Asta, um die sich jedes Museum reißen würde, sitzt meist in Modelposen vor knallbunten Wänden und diskutiert. Wenn sie in Neukölln Künstler besuchen geht, scheint die Sonne. Astas Mitarbeiter und Freunde setzen sich nur aus klugen jungen Menschen zusammen, die sich bestens in der globalisierten Welt zurechtfinden, aus klugen Menschen mit Down-Syndrom und aus klugen deutsch-türkischen Künstlern, die riesige Wandgemälde produzieren und urban gardening betreiben. Zu Beginn des Films lesen sie abwechselnd aus einem theoriegesättigten Buch, das aus einer Zeit stammt, als sich Kapitalismuskritik noch intelligent und modern anhörte. Sentimentale Anbiederung ans Proletariat fehlt hier: Ob aus Zehlendorf oder Neukölln, mit Down oder ohne - alle haben was drauf. Selbst die Klage über die gestiegenen Mieten wird mit Niveau geführt. Systemkritik sah nie besser aus. Dass man oft lachen muss, macht dem Film nichts aus. Hannelore Hoger, die Bundespräsident Gauck auf einem Spaziergang beiseite nimmt, um ihm die Probleme ihrer Filmtochter Asta ins Ohr zu flüstern, ist da nur das Tüpfelchen auf dem i.



Am Ende wird Asta von Berlins oberster Kulturfördergelderverwalterin wieder eingemeindet: Sie haben alles richtig gemacht, versichert ihr diese mit kaum verdecktem Hohn. Waren aufmüpfig und haben durchgehalten, als es schwierig wurde. Jetzt sind gerade Mittel freigeworden. Asta winkt ein Job, der sie mit Geld für ihre Projekte versieht und gleichzeitig in die Kulturinstitutionen einpasst. Sie versteht sofort, was das bedeutet.

Auch das hatte Linz schon in seiner Oberhausener Antwort an einem eigenen Filmprojekt beschrieben: "Wie man daran unschwer wird ablesen können, hatte also keiner der zahlreichen an der praktischen Herstellung Beteiligten einen unmittelbaren ökonomischen Nutzen. Gleichzeitig war das Projekt von immerhin vier mit öffentlichen Geldern operierenden Institutionen überhaupt ermöglicht worden. Das bringt mich als Produzent und Regisseur in die Situation, zwar arbeiten zu müssen wie ein seeßlenscher D-I-Y-Punk, mir gleichzeitig aber nicht die politischen wie ästhetischen Freiheiten gegenüber den staatlichen bzw. öffentlichen Institutionen, die mit D-I-Y historisch einmal verbunden gewesen sein mögen, nehmen zu können."

Das Problem wurde auf kluge und amüsante Art beschrieben. Will jemand darauf antworten?

Anja Seeliger

Ich will mich nicht künstlich aufregen. Regie: Max Linz. Darsteller: Sarah Ralfs, Pushpendra Singh, Barbara Heynen, Hannelore Hoger, René Schappach. Deutschland 2014, 84 Minuten (Forum, alle Vorführtermine)