Außer Atem: Das Berlinale Blog

Hochgeschmackvoll: Jalil Lesperts 'Yves Saint Laurent' (Panorama)

Von Anja Seeliger
08.02.2014. Jalil Lesperts Biopic "Yves Saint Laurent" beschreibt den Modemacher als süchtiges Genie, das vom Heiligen Pierre beschützt wird. Aber die Kleider sind umwerfend.


Erfahren wir aus Jalil Lesperts Biopic "Yves Saint Laurent" etwas, das wir nicht schon vorher wussten? Absolut. Pierre Bergé war ein Heiliger. Beschützer des manisch-depressiven Genies, selbst wenn er dafür schlechte Presse bekam, nie recht gewürdigter Geschäftsmann, und - verglichen mit Yves - treuer Liebhaber. Kein Wunder, dass er so zufrieden war mit dem Film!

Und vielleicht stimmt es sogar. Lesperts Film ist gewissermaßen auch ein Resümee der Lebensleistung Bergés. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass er sich auf einen begrenzten Zeitraum von Saint Laurents Leben beschränkt, statt zu versuchen, irgendwie alles in 110 Minuten zu quetschen. Immerhin: Hauptdarsteller Pierre Niney, mit 21 Jahren genauso alt wie Saint Laurent, als er Assistent von Christian Dior wurde, sieht dem Designer fast unheimlich ähnlich.

Der Film geht mit Saint Laurent viel weniger zimperlich um als mit Bergé: Man sieht am Beispiel der armen Victoire, das Saint Laurent extrem schüchtern, aber auch extrem boshaft sein konnte. Man sieht den Hang zum Exzess - wenn Saint Laurent rauchte, tat er es nicht unter 150 Zigaretten am Tag, wenn er Cola trank, dann 25 Flaschen am Tag, wenn es Haschplätzchen gab, aß er einen ganzen Kuchen, erzählt Cathy Horyn in ihrem ausgezeichneten Porträt in der New York Times 2000. Man kann sich also vorstellen, wie er Alkohol und Koks handhabte. Oder Sex.



Auch daraus macht der Film kein Hehl. Einmal sieht man Saint Laurent sogar in einem Club, wo er in einer Art Käfig von einem Unbekannten gefickt wird, während der gefährliche Jacques de Bascher zusieht. Aber keine Sorge: In diesen Film kann man sein Großmütterchen mitnehmen. Es ist alles so geschmackvoll durch Filter gefilmt, dass man Bildausschnitte als Deko in jeden kultivierten Salon hängen könnte. Als mit dem Hedonismus Ende der 70er, Anfang der 80er Schluss war, legte Yves sich eine neue Sucht zu: "Yves warf sich auf die Krankheit wie ein Heiliger auf die Religion", erzählt der Film-Bergé.

Wenn es sich bis hierhin anhört, als sei der Film kaum mehr als eine geschmackvolle Illustration von Horyns NYT-Porträt, dann ist das nur halb richtig. Eins nämlich kann ein Journalist nie so gut wie ein Filmemacher: die Kleider beschreiben. Denn auch das zeigt der Film: Saint Laurent, der in seiner Arbeit buchstäblich aufgeht und der immer wieder umwerfende Kleider entwarf, vier Kollektionen im Jahr, über 40 Jahre lang. Jedes einzelne der Originalkleider, die im Film gezeigt werden, ist makellos. Dafür lohnt sich der Film dann doch. Eins steht nämlich fest: Bergé war vielleicht kein Heiliger, aber Saint Laurent ganz sicher ein Genie.

Anja Seeliger

Yves Saint Laurent. Regie: Jalil Lespert. Darsteller: Pierre Niney, Guillaume Gallienne, Charlotte Le Bon, Laura Smet, Marie De Villepin. Frankreich 2013, 110 Minuten (Panorama, alle Vorführtermine)