Außer Atem: Das Berlinale Blog

Film noir aus Thailand: Pen-Ek Ratanaruangs 'Headshot' (Panorama)

Von Lukas Foerster
11.02.2012. Tul war früher Polizist. Nachdem er von einem korrupten Politiker, dem er auf den Fersen ist, erpresst wird, steigt er aus und wechselt die Seiten, wird Auftragskiller (allerdings einer der moralischen Sorte, der nur die "richtigen" killt), es tauchen weitere Schwierigkeiten auf - und eine geheimnisvolle Frau, die den Blick des Films in ihrer ersten Szene regelrecht stillstellt: in Untersicht taucht sie zuerst auf, die Kamera blickt zu ihr hoch, auf ihren ins engste Kostüm gequetschten Körper, dann entspinnt sich ein Gespräch, aber die Kamera bleibt an ihr kleben, verzichtet auf den Gegenschuss auf Tul, der ihr dann folgerichtig hoffnungslos verfällt. Irgendwann bekommt er eine Kugel in den Kopf, er überlebt das zwar, doch die Kugel (John Woos "Bullet in the Head" hatte seinerzeit eine ähnliche Konstellation) verändert ihn: er sieht nun alles falsch herum. Eine klinische Erklärung gibt der Film dafür nicht, man muss es ihm abnehmen, wie man ihm auch einiges anderes abnehmen muss. Und dann ist da noch eine zweite Frau.


Tul war früher Polizist. Nachdem er von einem korrupten Politiker, dem er auf den Fersen ist, erpresst wird, steigt er aus und wechselt die Seiten, wird Auftragskiller (allerdings einer der moralischen Sorte, der nur die "richtigen" killt), es tauchen weitere Schwierigkeiten auf - und eine geheimnisvolle Frau, die den Blick des Films in ihrer ersten Szene regelrecht stillstellt: in Untersicht taucht sie zuerst auf, die Kamera blickt zu ihr hoch, auf ihren ins engste Kostüm gequetschten Körper, dann entspinnt sich ein Gespräch, aber die Kamera bleibt an ihr kleben, verzichtet auf den Gegenschuss auf Tul, der ihr dann folgerichtig hoffnungslos verfällt. Irgendwann bekommt er eine Kugel in den Kopf, er überlebt das zwar, doch die Kugel (John Woos "Bullet in the Head" hatte seinerzeit eine ähnliche Konstellation) verändert ihn: er sieht nun alles falsch herum. Eine klinische Erklärung gibt der Film dafür nicht, man muss es ihm abnehmen, wie man ihm auch einiges anderes abnehmen muss. Und dann ist da noch eine zweite Frau.



Man wird in diese wilde Geschichte irgendwo in der Mitte hineingeworfen und sortiert sich und sie nur langsam. Vielleicht ist die Geschichte etwas komplizierter erzählt, als sie eigentlich sein müsste, etwas sprunghafter vor allem, es gibt immer wieder abrupte Überschläge, in die Vergangenheit und in die Zukunft, die beiden Frauen, entlang derer sich die Obsessionen des Protagonisten und des Films strukturieren, sind mal da, mal wieder weg, zu allem Überfluss rasiert sich der Hauptdarsteller auch immer mal wieder seine prächtigen, langen Haare ab, was die Zuordnung einzelner Szenen zusätzlich erschwert. Aber so schlimm muss das alles nicht sein, im Gegenteil, man driftet dann eben durch verschiedene Zeitebenen, durch verschiedene erotisierte Blicke auf verschiedene Frauen, durch verschiedene Frisuren, das hat etwas Alptraumartiges, gelegentlich sogar etwas Hypnotisches. Außerdem hat man nie das Gefühl - oder zumindest sehr lange nicht -, dass man sich auf einen folgerichtigen, letztgültigen Endpunkt zubewegt. Das könnte sich, meint man, durchaus noch eine Weile weiter ausgreifend entfalten: mehr Frauen, mehr Verrat, mehr Bösewichte, mehr Action in dunklen Wäldern. Den Menschen in dieser düsteren, erotisch vibrierenden Welt ist nicht einfach nur nicht zu trauen: weil sie so etwas wie einen Persönlichkeitskern oft gar nicht zu haben scheinen.

Pen-ek-Ratanaruang, der Regisseur des Films, hat einen manchmal bedenklichen Hang zu schönen Bildern. Vor allem "Invisible Waves", vor sechs Jahren im Wettbewerb, erstickte regelrecht in abgeschmackter, blau-grün eingefärbter Langsamkeit. Ratanaruangs unbedingter Stilwillen ist auch in "Headshot" nicht zu übersehen, allerdings wird er sozusagen natürlich beschränkt durch die Logik des Genres, das nach Aktion und Bewegung verlangt und nur ein gewisses Maß an ästhetisierter Stillstellung vertragen kann - selbst die optischen Tricks, die das verletzungsbedingte Wahrnehmungsdefizit der Hauptfigur visualisieren sollen, nehmen nicht allzu viel Platz ein. Und tatsächlich fühlt sich "Headshot" nicht nach blank poliertem Designerkino an; statt dessen scheint Ratanaruang zu versuchen, der Welt, die er darstellt und auch den Klischees, denen er sich gar nicht erst zu erwehren versucht, Einstellung für Einstellung einen Anschein von Fremdheit, von Unvertrautheit zu geben.

Lukas Foerster

"Fon Tok Kuen Fah - Headshot". Regie: Pen-Ek Ratanaruang. Mit Nopachai Jayanama, Celine Horwang, Chanokporn Sayoungkul, Apisit Opasaimlikit, Krerkkiat Punpiputt u.a., Thailand, Frankreich 2011, 105 Minuten. (Vorführtermine)