Wie plausibel ist es, dass sich eine Australierin ohne irgendeine Bindung an den Iran in Teheran als Englischlehrerin niederlässt? Wie plausibel ist es, dass Farhad, der Leiter einer Teheraner Firma für Elektronik, auf den sie vom Mossad angesetzt wird, nicht engstens umgeben ist von Männern der iranischen Geheimdienstes? Wie plausibel ist es, dass sich die beiden verlieben?

Der Autor Yiftach Reicher Atir, auf dessen Roman "The English Teacher" dieser Film beruht, war selbst Mossad-Mitarbeiter. Aber es hilft nichts: Es gibt wohl keine Spionagethriller, die nicht in ihrem Kern etwas Räuberpistolenhaftes haben.

Das eigentlich Überraschende ist aber, dass der Film funktioniert. Man merkte es schon der konzentrierten Stille in der proppenvollen Pressevorführung an: Die Leute wollten wirklich wissen, wie es weitergeht, bis zum Schluss nach immerhin zwei Stunden.

Das liegt an zweierlei: einerseits der dann doch intelligenten Konstruktion. Andererseits Diane Kruger.

Es gibt eine Szene, in der man ziemlich genau spürt, was Spion sein eigentlich heißt und wie zugleich beängstigend und langweilig es sein muss: Da sitzt Rachel Currin (Diane Krueger) in einem Café gegenüber dem iranischen Verteidigungsministerium, tut so, als würde sie sich auf Englischstunden vorbereiten, die sie ja tatsächlich gibt, und führt nebenbei eine Strichliste darüber, wann der Verteidigungsminister in seiner Karosse an- und wann er wieder abrollt. Öde.

Später geht es natürlich heftiger zur Sache. Rachel wird an israelischen Sabotageaktionen im Iran beteiligt. Ziel ist stets das iranische Atomprogramm. Daher auch Farhad und die Elektronikfirma. Rachel ist selbst verwickelt in Aktionen, an denen Unbeteiligte sterben, und einen von ihnen bringt sie sogar eigenhändig um.

Kruger spielt ihre Rolle nicht als Star, sie ist eher eine Schauspielerin des under- als des overacting. Yuval Adler bringt sie fast sachlich ins Bild, ihre leichte Hakennase nimmt dem Gesicht das Ebenmäßige und gibt ihm etwas Scharfes. Man hat nicht das Gefühl, dass irgendwo jenseits des Bildes eine Assistentenschar mit Schminkkoffern herumlungert. Am erstaunlichsten sind im Grunde die Passagen, in denen sie durch die Straßen Teherans geht - wo ist das bloß gedreht? Das rudimentäre Pressematerial sagt nichts dazu. Es hat stets eine Traumqualität: Kann es sein, dass sie sich in eine ganz und gar fremde Welt eingeschlichen hat?

Es geht in diesem Film um diese radikale Ausgesetztheit, diese völlig irreale Existenz und Vorspieglung im Leben anderer.

Der Mossad schneidet in dem Film nicht gerade sympathisch ab. Er agiert als eiskalte Maschinerie, die sich um Kollateralschäden nicht schert: Einzig Rachels Kontaktoffizier - gespielt von Martin Freeman, bekannt als Doctor Watson aus der "Sherlock"-Serie - begegnet ihr als Person. Er ist selbst als britischer Jude, der in Berlin lebt und kaum Hebräisch spricht, ein Außenseiter, sie um so mehr, die im Film eine so internationale und keineswegs jüdische Existenz ist wie im Leben. Das Fehlen der Wurzeln erkennt der Mossad als Vorteil: Daraus erwächst ihre Wandelbarkeit. Aber so jemanden lässt man auch leichter fallen.

Die Sache kann nicht gut gehen. Am Ende versucht Rachel auszusteigen und sich gegenüber dem Mossad mit deponierten Dokumenten, die im Fall ihres Todes geleakt werden, abzusichern. Und sie geht wieder durch die Straßen, diesmal in Deutschland.

Thierry Chervel

The Operatiive. Von Yuval Adler. mit Diane Kruger, Martin Freeman, Cas Anvar. Deutschland / Israel / Frankreich / USA 2019. 120 Minuten. (Termine)