Außer Atem: Das Berlinale Blog

Die üblichen Anfechtungen: Cedric Kahns "La Priere" (Wettbewerb)

Von Thierry Chervel
18.02.2018.


In der Geschichte des französischen Kinos ist der Katholizismus ein bedeutender Unterstrom, auch wenn er von außen wenig wahrgenommen wird. Aber Robert Bresson, Alain Cavalier, Maurice Pialat sind erzkatholische Regisseure und haben Filme gemacht, die nicht nur von Religiosität durchdrungen sind, sondern sie auch predigen. Bressons "Au hasard Balthazar" ist vielleicht der überwältigendste Film dieser katholischen Tradition, ein Monument des Leidens und des Mitleids.

Aber leider gibt es auch eine Art katholischer B-Picture-Tradition, der Cédric Kahns "La Prière" denn doch eher zuzurechnen ist. Da wird jene Reduktion, die Bressons "Balthazar" so ergreifend macht, zu einer Art knorrigem Sakralkitsch aus immer wieder ähnlichen Versatzstücken. Gern genommen wird ein gefallener Jugendlicher, wie in diesem Fall Thomas, dem im letzten Moment am Wegesrand ein Licht aufgeht. Hier kommt er vor grandioser Alpenkulisse in eine Bruderschaft von Ex-Junkies, die ihn auffangen. Es gibt die üblichen Rückfälle und Anfechtungen, sogar eine unverhoffte Sexszene mit der Bauerntochter von nebenan. Aber immer wieder helfen Schneeschippen, Gruben graben, das harte Brot und der Gesang der Brüder. Hanna Schygulla tritt auf als innig lächelnde Mutter Oberin, die Thomas zwei Ohrfeigen versetzt, weil er die Gebete nur rezitiere, aber nicht verinnerlicht. Bei einer Bergwanderung verletzt er sich ein Knie, wird im Nebel nicht gefunden, muss die Nacht allein verbringen und ist am nächsten Morgen ein Erweckter.

Das Ende des Films ist seltsam zweideutig: Entschließt er sich nun Priester zu werden oder doch zur Frau zu gehen? Warum verwandelt sich dann die wummernde Techno-Musik des Autofahrers, der ihn mitgenommen hat, in eine fromme Barockarie? Nun, ein guter katholischer Ehemann wird aus Thomas wohl mindestens.

Cédric Kahn: "La Prière". Mit Anthony Bajon (Thomas), Damien Chapelle (Pierre), Alex Brendemühl (Marco), Louise Grinberg (Sybille). Frankreich 2018. 107 Minuten (Vorführtermine)